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Aus: Ausgabe vom 16.03.2024, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

Kanzlerjagd

Von Arnold Schölzel
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Wer aus der neuen deutschen »Alles für den Ukraine-Sieg«-Volksgemeinschaft ausschert, wird gejagt, und wenn es der Kanzler ist. Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) und Norbert Röttgen (CDU) haben gemeinsam herausgefunden: Olaf Scholz verlängert den Krieg und hilft Wladimir Putin. Die beiden veröffentlichten am Montag in der FAZ einen Text mit der Überschrift »Der katastrophale Defätismus des Kanzlers«. Ein Wehrkraftzersetzer und Kapitulant, der sich rühmt, mehr als jeder andere in Westeuropa nach Kiew geschafft zu haben – nämlich Geld und Tötungsgerät für 28 Milliarden Euro (USA in zwei Jahren etwa 40 Milliarden von mehr als 1,5 Billionen US-Dollar für Rüstung insgesamt). Für Hofreiter, seit Januar Träger des Verdienstordens der Ukraine III. Klasse, und Röttgen ist das nichts als Tarnung: »Seit zwei Jahren wird die Lieferung jeder neuen Waffengattung von mühsamsten Diskussionen, Scheinargumenten und Angstrhetorik begleitet.« Denn: »Atomkrieg. Eskalation. Kriegspartei. Das sind nur einige der Schlagworte, die der Kanzler seit dem 24. Februar 2022 geprägt hat und die Putin nur eines signalisieren: Er kann weiterhin Völkerrecht und internationale Verträge brechen und Länder überfallen ohne ernsthafte Konsequenzen.«

Und wenn schon alles, was gepanzert ist und rollen kann, ins Bandera-Land geschafft wird: »Unser Beitrag wird geschmälert durch die dramatisch schlechte Kommunikation, die ihn begleitet und die Putin genau zur Kenntnis nimmt. Er zieht daraus Schlüsse für sich und seinen Krieg. Wo sind die Schwachstellen in Europa? Wer blockiert, wer führt?« Der Plural »Schwachstellen« ist laut Hofreiter und Röttgen offenbar falsch. Es gibt nur eine mit dem Namen Scholz – eine Art schwarzes Loch, das jeden Widerstandswillen gegen Putins Horden schlürft.

Hinzu kommt: »Die Botschaft an Putin: Ohne die USA geht es in Deutschland nicht. Dieser katastrophale Defätismus kam auf der letzten USA-Reise des Kanzlers zu einem verbalen Höhepunkt. Er buchstabierte Putin aus, was seines Erachtens passiere, wenn die USA als wichtigster Unterstützer der Ukraine ausfallen: Dann sei die Ukraine verloren. Wie man dem Aggressor solche Botschaften senden kann, wenn schon jetzt die reale Gefahr besteht, dass Donald Trumps Helfershelfer im Kongress keine weitere Ukraine-Hilfe zulassen werden, bleibt Scholz’ Geheimnis. Putin dürfte solche Aussagen als Ermutigung verstehen.« Scholz ist, um Amtsvorgänger Konrad Adenauer über Defätismus im Spiegel 1962 zu zitieren, ein »Abgrund an Landesverrat«. Denn Scholz lügt, schreiben der Urgrüne und der CDU-Mann: »In dem Versuch, die Nichtlieferung von TAURUS-Marschflugkörpern zu rechtfertigen, behauptete der Kanzler, das mache uns zur Kriegspartei. Diese Aussage ist faktisch und rechtlich falsch. Sie brüskiert außerdem unsere engsten Verbündeten, Frankreich und Großbritannien, die bereits liefern. In der Bevölkerung verbreitet er so Angst und Schrecken.«

Im ZDF hatte Hofreiter schon am 28. Februar dem Kanzler vorgehalten, »erkennbar die Unwahrheit« beim Nein zur TAURUS-Lieferung zu sagen, was ihn zum »Sicherheitsrisiko« mache. In der FAZ gehen Hofreiter und Röttgen am 11. März weiter und sehen die SPD »am Scheideweg«: »Sie ist heute wieder in einer Situation vergleichbar zur NATO-Nachrüstung, nur hat sie keinen Helmut Schmidt mehr. Im Gegenteil, der heutige Kanzler gibt unumwunden zu, dass er bereit ist, sich von Putin unter Druck setzen zu lassen. Gepaart mit zu geringen und immer zu späten Waffenlieferungen, ist das fatal, weil es Putin animiert weiterzumachen.«

Schlussfolgerung: Wer keine TAURUS an Kiew liefert, verlängert den Krieg. Scholz muss weg, nur soll ihn bitte die SPD stürzen. Prognose: Die kriegt das hin.

Der Plural »Schwachstellen« ist laut Hofreiter und Röttgen offenbar falsch. Es gibt nur eine mit dem Namen Scholz – eine Art schwarzes Loch, das jeden Widerstandswillen gegen Putins Horden schlürft

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Hermann T. aus 29451 Dannenberg/E. (17. März 2024 um 22:13 Uhr)
    Oh je, Anton! Die SPD hat also »keinen Helmut Schmidt mehr«!? Bei aktuell rund 365.000 Mitgliedern und einem Frauenanteil von weniger als einem Drittel dürfte schon der »Analyseansatz« auf einer falschen Grundannahme beruhen: Ich schätze die Zahl der blassroten Genossen mit dem gen. Namen auf mindestens 17! Allerdings hat seine eigene Partei (das weiß er vermutlich gar nicht mehr) mal als ökologische, basisdemokratische und gewaltfreie Antiparteienpartei angefangen. Das Paradoxon »Grüne« fuhr bemerkenswerte Wahlergebnisse ein, was ihr schnell den klaren Blick auf die Verhältnisse raubte. Aber zur Zeit des sozialdemokratischen Kanzlers Schmidt und des sog. NATO-Doppelbeschlusses zählten noch Antimilitaristen wie P. Kelly zu ihren Mitgliedern. In den 90ern übernahmen die Opportunisten das Ruder, die nur zu gerne bereit waren, alle richtigen politischen Einsichten und Grundsätze für Karriere und Knete zu opfern. Statt das System zu sprengen, wollten sie mehrheitlich, dass die herrschende Ordnung sie sich anverwandelt. Der Marsch durch die Institutionen wurde zum Rattenrennen um lukrative Posten. Im Parteiensprech: mitgestalten – d. h., die unerträglichen Verhältnisse ein bisschen weniger unerträglich machen. Heute dominiert der Typ Hofreiter die Partei Bündnis 90/Die Grünen: Nicht einfach nur angepasst und bis ins Mark opportunistisch, sondern moralisch vollkommen auf den Hund gekommen, kriegs- und rüstungsgeil, intrigant und demagogisch. Mit einem Wort: gemeingefährlich. Dem Toni und allen anderen von russophoben Halluzinationen und antirussischer Hysterie Gezeichneten möchte man bitter-ironisch nur noch raten: Wenn ihr Stimmen hört, holt euch professionelle Hilfe!

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