4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 16.03.2024, Seite 5 / Inland
»Klimaschutzverträge«

Subvention zur CO2-Einsparung

Ausschreibung für »Klimaschutzverträge« gestartet. Staatliche Finanzierung für Umstieg
Von Wolfgang Pomrehn
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Verarbeitendes Gewerbe und Industrie haben im Jahr 2022 zusammen 151 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen

Bislang ist die Industrie in der Bundesrepublik für rund 23 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Nun soll sie ein wenig klimafreundlicher werden, weshalb Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) am Dienstag die ersten sogenannten Klimaschutzverträge auf den Weg geschickt hat. In deren Rahmen sollen Industrieprozesse dekarbonisiert werden. Ziel ist es, die Produktion derart umzugestalten, dass kein Kohlendioxid (CO2) mehr freigesetzt wird. Dieses mit Abstand wichtigste Treibhausgas unter den Emissionen aus menschlichen Aktivitäten reichert sich in der Atmosphäre an, verbleibt dort für mehrere Jahrtausende und trägt so maßgeblich zur Erwärmung des Klimasystems bei.

Verarbeitendes Gewerbe und Industrie haben im Jahr 2022 nach Angaben des Umweltbundesamtes zusammen 151 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Quellen sind unter anderem industrieeigene Kraftwerke zur Produktion von Strom und Prozesswärme, aber auch bestimmte industrielle Prozesse. So wird zum Beispiel in der Stahlindustrie Koks eingesetzt, um dem Eisenerz Sauerstoff zu entziehen. Der gleiche Effekt ließe sich mit Wasserstoff erzeugen. Was allerdings nur Sinn macht, wenn nicht, wie bisher, bei dessen Erzeugung auch CO2 entsteht.

Bislang wird Wasserstoff hauptsächlich für die chemische Industrie erzeugt, für die er ein wichtiger Grundstoff ist. Das Problem: Er wird hergestellt, in dem Methan, eine Verbindung aus Kohlenstoff und Wasserstoff, zerlegt wird. Das Abfallprodukt ist hierbei CO2. Künftig soll sich das ändern, in dem Wasserstoff vorrangig per Elektrolyse aus Wasser und dem Einsatz von Strom hergestellt wird.

Mit den sogenannten Klimaschutzverträgen können sich Unternehmen nun um Förderung für die Umstellung ihrer Produktion bewerben. Gedacht ist dabei auch an die Zement-, Papier-, Glas- und Chemieindustrie. Ausdrückliches Ziel, so Habeck, sei es, die energieintensive Industrie in Deutschland zu halten und die Markteinführung neuer Technologien zu fördern. Die Unternehmen können sich an Ausschreibungen beteiligen, in denen sie ihr Projekt mit Kosten und voraussichtlichen Emissionseinsparungen vorstellen.

Die Förderung soll die Mehrkosten gegenüber herkömmlicher Technik abdecken, die zumindest zum Teil zurückgezahlt werden muss, sobald die neue Technologie kostengünstiger wird. In der ersten jetzt angestoßenen Ausschreibungsrunde werden maximal vier Milliarden Euro verteilt auf 15 Jahre vergeben. Erbringen soll sie eine Verminderung der Emissionen von »bis zu 20 Millionen Tonnen« (Habeck) jährlich. Bis zum Jahresende soll eine zweite Ausschreibungsrunde erfolgen, zwei weitere sind für 2025 geplant. Die EU-Kommission hatte für das Verfahren im Februar grünes Licht gegeben. Das EU-Recht erlaubt nur in Ausnahmefällen direkte Beihilfen für Unternehmen.

Lob und zugleich Kritik kommen von der Umweltorganisation Greenpeace, die sich an der Förderung von sogenanntem blauem Wasserstoff und der sogenannten CCS-Technologie stört. CCS steht für Carbon Capture and Storage also für das Einfangen von CO2-Emissionen und deren Einlagerung im tiefen Untergrund. Hierfür soll nach dem Willen der Ampelkoalition demnächst das Parlament mit einigen Gesetzesänderungen den Weg frei machen.

Die vom Bundesministerium veröffentlichte Förderrichtlinie spricht unter anderem von sogenanntem CO2-armem oder blauem Wasserstoff, der auch aus nichterneuerbaren Quellen stammen kann. Denkbar ist zum Beispiel, dass hier künftig auch Wasserstoff aus fossilen Quellen zum Einsatz kommt, über deren Ausbeutung in Fachkreisen in letzter Zeit vermehrt diskutiert wird. Völlig unklar ist jedoch noch, ob und in welchem Umfang Treibhausgasemissionen bei Förderung und Transport entstehen, und inwieweit diese in die hiesige Klimabilanz einfließen. Eine andere Kritik an dem neuen Förderprogramm ist, dass damit bestehende Produktionslinien festgeschrieben statt hinterfragt werden. Dabei müsste zum Beispiel der exorbitante Einsatz von Plastik reduziert werden. Ähnliches gilt für Beton, Stahl oder Aluminium.

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