4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 07.03.2024, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Migros-Gruppe

Wie beim Metzger

Fleischverarbeiter Micarna will Standort in Ecublens schließen. Belegschaft wehrt sich und wird drangsaliert
Von Kim Nowak
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Muss das nicht noch kleiner? Die damalige Schweizer Bundespräsidentin zu Besuch im Micarna-Schlachthaus (1.5.2015)

Seit mittlerweile einer Woche streikt die Belegschaft der Micarna AG in der französischen Schweiz. Der Fleischverarbeiter verkündete am 29. Februar, den Standort in der Gemeinde Ecublens im Kanton Waadt zu schließen. Die 84 Beschäftigten sollen im Frühjahr 2025 auf die Straße gesetzt werden. Doch die Belegschaft wehrt sich und befindet sich seit dem 29. Februar im Ausstand. Die Gewerkschaft Unia haben sie beauftragt, ihre Interessen und Forderungen gegenüber dem Konzern zu vertreten. Die ruft die Geschäftsführung dazu auf, mit den Beschäftigten in den Dialog zu treten, um besonders über »geplante Vorruhestandsregelungen« sowie Bedingungen bei einer »Versetzung an einen anderen Standort« zu verhandeln, wie die Gewerkschaft am 1. März mitteilte.

Allerdings verweigert Micarna, das zur Schweizer Migros-Gruppe gehört, nicht nur den Dialog, sondern setzt auch aktiv Streikbrecher ein. Das ist laut Gesamtarbeitsvertrag für Leihfirmen zwar ausdrücklich verboten, dennoch wurden Leiharbeiter der Personalverleiher Adecco und Valjob angeheuert. Zusätzlich drohte die Geschäftsführung den Streikenden, die Abfederungsmaßnahmen, die der Konzern von sich aus den Gekündigten vorgeschlagen hat, vorzuenthalten. Auch telefonisch sei Druck auf die Kollegen ausgeübt worden, wie die Gewerkschaft mitteilte. Nach einer Woche Streik sieht der Konzern immer noch keinen Grund, auf die Forderungen einzugehen.

Auch die sogenannten Sozialpartner von Migros finden den Konzernsozialplan offenbar ausreichend. Der Kaufmännische Verband Schweiz und der Metzgereipersonalverband bedauern zwar die Schließung des Standorts, betonen aber, dass die Abfindungen sozial geregelt seien. Auch habe man Lösungen für »Härtefälle«.

Die Streikenden und ihre Gewerkschaft sehen das freilich anders. Unia veröffentlichte am Dienstag ein Dokument, in dem die Forderungen der Streikenden denen des »Sozialplans« von Migros gegenübergestellt werden. Beispielsweise fordern sie 2.500 Franken (2.600 Euro) zum Begleichen von Umzugskosten, falls sich der neue Standort in einem anderen Ort befindet. Migros will das nur zahlen, wenn der außerhalb der Alpenrepublik liegt. Auch bei den Kosten für einen Aufenthalt am Arbeitsort für eine Woche gibt es Unterschiede: Migros will 500 bis 750 Franken (520 bis 778 Euro) bezahlen, die Streikenden fordern 1.000 bis 1.500 Franken (1.040 bis 1.559 Euro). Diese und weitere Bedingungen seien notwendig, wie Arnaud Bouverat, Unia-Sekretär gegenüber der Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA betonte. »Die vorgesehenen Leistungen zur Begleitung der Beschäftigten reichen bei weitem nicht aus.«

Entsprechend kampfbereit sind die Arbeiter von Micarna. In einer Vollversammlung am Dienstag stimmten sie für die Verlängerung der Arbeitsniederlegungen und pochten auf die Vereinigungsfreiheit, also das Recht, sich von einer Beschäftigtenvertretung ihrer Wahl vertreten zu lassen, wie Unia am Dienstag betonte. Denn am selben Tag wurde ihr Streikposten vom Konzern im Grunde komplett abgeriegelt. Presse wurde nicht zu den Streikenden vorgelassen. Als Reaktion darauf zogen sie vor das Einkaufszentrum Métropole in Lausanne (Waadt). »Die Dinge werden sich ändern, wir werden diese 14-Stunden-Arbeitstage nie mehr akzeptieren«, zitierte Unia am Dienstag einen Streikenden. Auch Unia-Präsidentin Vania Alleva, die am Dienstag nach Ecublens gereist war, zeigte sich von der Blockade des Konzerns entsetzt. »Wir erwarten von Migros, sich an den Verhandlungstisch zu setzen und sich nicht wie ein unsozialer internationaler Großkonzern zu verhalten«, erklärte sie. Der Streik wirft seine Schatten inzwischen über Ecublens hinaus. In allen größeren Städten des Kantons Waadt und der Westschweiz verteilte die Unia diese Woche Flugblätter, um die Bevölkerung auf die Zustände in Ecublens aufmerksam zu machen.

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