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Aus: Ausgabe vom 02.03.2024, Seite 8 (Beilage) / Wochenendbeilage

Porridge

Von Maxi Wunder

Krisensitzung in der Plauener Kommune. »Leute, wir dürfen den Staat nicht mehr verhöhnen, Nancy Faeser hat’s verboten«, verkündet Udo. Betroffenes Schweigen. Roswitha bricht die Stimme weg: »Das war doch bisher immer unser … unser …« – »Was?« – »Ich weiß nicht, unser Lebensgrund?« – Auweia! Jetzt fallen wir ins Nichts, wir dürfen nicht mehr herziehen über den Laden hier, und das trotz hochgepriesener Meinungsfreiheit. Wo soll das nur enden?

Bei uns endet immer alles im Internet, da gucken wir dann rein und sind beruhigt: Frau Faesers »ganzes Paket« (Demokratieförderungsgesetz) richte sich nur gegen Rechtsextreme, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage stellen und bekämpfen. Dies erklärte Herr Kall, Faesers Pressesprecher, auf der Bundespressekonferenz am 14. Februar. Übrigens ist Herr Kall einer der wenigen, dem nicht der für Presseonkels und -tanten übliche Cocktail aus Angst und Arroganz aus der Kehle quillt, wenn er sich einer der rar gewordenen kritischen Pressefragen stellt. Kein Wunder – der »Kampf gegen rechts« ist zur Zeit die einzige moralische Komfortzone in der deutschen Politik.

»Dieses Gesetz betrifft uns sowieso nicht, weil wir gar nicht über den Staat lästern«, finde ich. »Der Staat ist doch nur der willfährige Diener des Kapitals. Abhängig. Ein armes Schwein quasi, das man eher retten müsste.« – »Aber wir könnten bei Lindner anregen, 300 Milliarden Dollar US-Vermögen einzuziehen, analog zu den eingefrorenen 300 Milliarden aus russischem Vermögen, mit denen der Ukraine-Krieg weiter finanziert werden soll«, empfiehlt Udo. »Mit der Amikohle könnten wir dann die Migrantenströme aus Syrien, Afghanistan, Irak, Kosovo und Afrika bewältigen. Als Legitimation für die Beschlagnahmung nehmen wir die letzten US-Angriffskriege.«

Au ja – ein neuer Raubzug für einen guten Zweck! Diesmal in der anderen Himmelsrichtung. Aber Rossi befürchtet immer noch, das Verhöhnungsverbot könne auch Linke einschüchtern: »Wer verhöhnt, stellt laut Faeser in Frage und bekämpft«, grübelt sie. »Die hat ihren Schiller gelesen. Schiller hat doch auch gesagt, wenn nichts mehr hilft bei dem Versuch, die Verhältnisse zu ändern, schärfe man das Schwert des Spottes, weil dem alles erliegen muss. Wo steht das noch mal, Maxi?« Weiß ich doch nicht. In irgendeinem Artikel über Sinn und Zweck des Theaters vermutlich. Außerdem ist eh klar, dass Schiller sich geirrt hat: Fast 80 Jahre Kabarett in Deutschland – Neuss, Kittner, Hildebrandt, Polt, Fitz, die Anstalt, Pispers … Haben die nicht mächtig in Frage gestellt und tun es teilweise noch? Und hat das Lästern was gebracht? Es ist leider nur ein Ventil und hilft bestenfalls, Magengeschwüren vorzubeugen. Genau wie

Porridge

In eine Müslischale zarte Haferflocken und ein paar Trockenfrüchte geben. Mit heißem Wasser übergießen, so dass ein sämiger Brei entsteht. Kurz ziehen lassen, umrühren und auf nüchternen Magen essen. Erst danach Kaffee und Co.

Ergebnis der Krisensitzung: Die Faeser hat sich im Verb geirrt, so wie Baerbock beim gestreckten Winkel und Habeck mit den Wärmepumpen. Wir lästern weiter für den Magen.

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