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Aus: Ausgabe vom 28.02.2024, Seite 10 / Feuilleton
Hardcore

Die roten Reiter

Wieso ist Hardcore-Punk so uncool? Sänger Ronald Radke stellt eine Frage und ist selbst Teil der Antwort
Von Ken Merten
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Mann mit Problemen: Ronnie Radke

Ronald Radke träumt den Traum der Werktätigen der Welt, na ja, zumindest den derer, die sich in der Metal- und Hardcoreszene aufhalten. Abzulesen ist das am neuesten Erguss des Sängers von Falling in Reverse, über den das Musiknachrichtenportal Theprp am Sonntag jene unterrichtete, die vernünftigerweise den meschuggenen Strafplaneten X meiden. An selbigem Tag erörterte Radke dort: »I find it hilarious that the new hardcore kids are all a bunch of bitch made soft ass communist dick riders with pronouns in their bio reciting lyrics from bands talking about how tough they are and how violent they are. Hardcore used to be cool. It is not cool any­more.« Nun lassen ja vielerorts die bolschewistischen Schwanzreiterscharen auf sich warten. Und ob der zur materiellen Gewalt gewordene Weltgeist (Pronomen: er, ihm) zum Umsturz der beschissenen Verhältnisse zu Penissen oder auf etwas anderem herangaloppiert, das ist ja nunmal schnurzpiepe. Es wäre auch zu isoliert angegangen, dem turnusgemäß überschnappenden Radke anzuraten, er allein nur solle seine dumme Zuckerschnute halten.

Sicher aber ließe sich darüber reden, was und wer denn Hardcore so uncool macht – und für wen. Dass Radke sein eigenes Publikum bepöbelt, weil es nicht demütig genug ist, wenn er dem Volk Pennälerverse reindrückt, mag man als Narzissmus noch entschuldigen – berufskrank halt. Der 40jährige aber übertreibt routiniert seine Rolle: Wenn er geistig in Schnappatmung gerät, dann schreibt er identitätspolitische Kommentare in etwas, das seiner Muttersprache nah kommt. Jene, die ihn »a womanizer, abuser, and bigot« nennen, mokierte sich Radke im Juli letzten Jahres auf dem stetig wachsenden Meinungsmisthaufen, der damals noch als Twitter firmierte, seien auch jene, die der Ansicht seien, »trans« können ihre Periode haben – jene seien es auch, die Tamponkonzerne unterstützten, wenn sie von »trans« (Radke blieb Präfix und fertig) repräsentiert würden. Derart falsches Zusammenschnurren der Debatte und das Pochen auf »basic biology and common sense«, wo doch selbst biologistisches Gehuber auf den Acker gesudelt wird, ist nun kein Soloauftritt. 2012 gab es ein Verfahren wegen häuslicher Gewalt gegen ihn, die Gerichtstermine schwänzte er, 2014 wurde die Anklage fallengelassen. Ein Jahr später warf ihm eine 25jährige vor, er sei ihr gegenüber nach einem Konzert sexuell übergriffig geworden. Die Polizei fand keine hinreichenden Beweise.

Besieht man aber Radkes wiederholt bewiesene Unfähigkeit zur Impulskontrolle, dann ist er mindestens in dem Sinne Erlebniswertsenker der Szene, weil Frauen (ob er sie als diese akzeptiert oder nicht) in Gegenwart all der Radkes das Pfefferspray griffbereit haben sollten.

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