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Aus: Ausgabe vom 24.02.2024, Seite 10 / Feuilleton
Tagebuch – In dieser großen Zeit

Koslowski bleibt deutsch!

Von Pierre Deason-Tomory
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»Hier wird niemand angefremdet oder vollgevolkt! Warum heißt du Koslowski?« – »Weil mein Alter so heißt.«

Freitag, 16. Februar

Alexej Nawalny ist im Lager verstorben. Woran wurde noch nicht festgelegt, aber ich bezweifle nicht, dass die russische Regierung für seinen Tod verantwortlich ist. Sehr unfein, ganz anders als in den USA, dort werden politische Gefangene elegant lebendig begraben. Mumia Abu-Jamal sitzt seit 42 Jahren im Knast. Warum? Er ist links und schwarz. Leonard Peltier seit 46 Jahren, weil er als unverschämter Ureinwohner auf die Menschenrechte pochte. Julian Assange drohen 175 Jahre Haft für das Aufdecken von Kriegsverbrechen. Das ist wirklich milde, unsere saudischen Partner machen für so was Gulasch aus dir.

Montag, 19. Februar

Die Zellteilung in der Linkspartei wuchert weiter. Ihre dezimierte Bundestagsgruppe hat sich wiederum gespalten, die Kampfabstimmungen zwischen »Gendersternis« und »Ostspießern« um die zwei Vorsitzendenposten endeten jeweils 13 zu 14.

Mittwoch, 21. Februar

Nach zwei Tagen Verhandlung hat der britische High Court die Entscheidung über die Auslieferung von Julian Assange an die USA bis auf weiteres vertagt. Er soll dort mit Abu-Jamal und Peltier zusammengelegt werden als fleischgewordenes Denkmal für Demokratie, Menschenrechte und Pressefreiheit.

Donnerstag, 22. Februar

Marie-Antoinette von Strack-Zimmermann will offensichtlich die Koalition sprengen. Sie hat demonstrativ dem Unionsantrag für »TAURUS«-Lieferungen an die Ukraine zugestimmt. Im Bauernkalender steht: Haut die Zimmermann aufs Holz, fliegen Späne und der Scholz. Und: Der Winter zagt, es hüpft das Herz, nach Februar kommt endlich Merz! – Kotz.

Freitag, 23. Februar

An einem Erfurter Gymnasium fragt die Lehrerin: »Thomas, was haben wir letzte Stunde durchgenommen?« – »Vorzeichen des Undergangs des Römischen Reiches.« – »Als da wären?« – »Deggadenz, Inflation und Völgerwanderung.« Mitschüler Michael ergänzt: »So wie heute.« – »Was passierte dann, Thomas?« – »Na hoffentlich die Remigration!« – »Du bist nicht dran, Michael, und achte auf deine Wortwahl! ›Remigration‹ ist Nazi­sprache! Hast du eine Herausforderung mit der Einwanderung?«

»Ich habe null Problem mit Einwanderung! Die Ausländer können wandern, wohin sie wollen, aber nicht nach Erfurt! Schluss mit der Übervolkung und Umfremdung der Deutschen!«

»Annersrum, du Kunde.«

»Mit der Übervolkung der deutschen Fremden.«

»Hier wird niemand angefremdet oder vollgevolkt! Außerdem ist das nichts Neues. Wie heißt du mit Nachnamen, Michael?«

»Immer noch Koslowski.«

»Warum Koslowski?«

»Weil mein Alter so heißt.«

»Wo ist der her?«

»Aus Orlamünde.«

»Und sein Vater?«

»Aus Schlesien. Wieso?«

»Weißt du, wo Schlesien liegt?«

»Na da oben, in Schlesien-Holstein.«

»In Polen. Du heißt Koslowski, weil dein Opa aus Polen kam.«

»Das ist eine dreckige Lüge! Die Schlesier waren schon immer Deutsche!«

»Und warum hast’n dann e bolnische Name, Koslowski?«

»Nüscht, Swoboda! Koslowski ist und bleibt deutsch! Das heißt so viel wie Schmidt!«

»Auf Bolnisch?«

»Auf Schlesisch!«

»Michael, was hast du gegen Polen?«

»Ich? Die sollen nur dahin zurückgehen, wo sie hergekommen sind.«

»Na denne: Tschüssikowski, Koslowski!«

»Schnauze, Swoboda!«

»Kennst du einen Polen persönlich?«

»Den einen kennt doch jeder …«

»Wen?«

»Na Ramelow.«

»Bodo Ramelow ist kein Pole.«

»Ist er schon! Sieht man doch am Namen! Der zieht sich auch an wie Lolek und Bolek.«

»Nein, Ramelow kommt aus Hessen.«

»Das ist ein Wessi? Noch schlimmer …«

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