junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Montag, 6. Mai 2024, Nr. 105
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!

Wenn Vati auf Ideen kommt

Von Gabriele Damtew
Darmstadt_98_VfB_Stu_81058608.jpg
»Meine Drohne kriegst du aber nicht, Papa, nur über meine Leiche!«

Tennisbälle sind schon seit Wochen schwer zu bekommen, und mittlerweile auch Flummis. Wohl dem, der auf Tennisklub­bestände oder die Kisten im Kinderzimmer zurückgreifen kann. Jede Menge dieser Bälle waren am vergangenen Wochenende in den oberen und unteren Ligen wieder im Spiel, abgesehen von Fußbällen, die der Sportart ihren Namen gaben. Erstere wurden von unzufriedenen Fangruppen irgendwie in die Stadien geschmuggelt, vermutlich als mehr oder weniger große »Balls« in der Hose, trotz (oder wegen) so mancher Leibesvisitation.

Die Proteste gegen die Investorenpläne der Deutschen Fußballiga (DFL) und den für die drittklassigen Vereine zuständigen DFB gingen also weiter, wurden sogar mehr. Bei Bundesligist Köln und Zweitligist Rostock kreuzten gar ferngesteuerte Autos die Laufwege der Spieler auf dem Rasen, was zu Spielunterbrechungen führte – und zu »Herzrhythmusstörungen« hätte führen können, so Fürth-Coach Alexander Zorniger über den mentalen und körperlichen Zustand seiner hochsensiblen Profis. Was macht es wohl erst mit den armen vergessenen Kindern, die ihre Weihnachtsgeschenke in den rohen Händen von Ordnern und Polizisten wiederentdecken? »Meine Drohne kriegst du aber nicht, Papa, nur über meine Leiche!« Wenn Vati da nächste Woche nicht mal auf Ideen kommt.

Die »verhärteten Positionen« des »in Traditionen festgefahrenen Mobs« der Fans auf der einen, und der geldgierigen Vereinsvorständen und ebensolcher Fußballbürokraten auf der anderen Seite fordern geradezu einen knallharten Vermittler, wofür eigentlich nur UN-Generalsekretär António Guterres in Frage käme, wenn er nicht dringlichere unlösbare Aufgaben hätte. Vielleicht müsste nur einfach eine erneute Abstimmung über die Zulassung von Investoren durchgeführt werden, für deren Ansetzung nur zehn Stimmen der 36 Profivereine Voraussetzung sind. (Wir in Berlin lieben Wiederholungswahlen, die Hertha ist natürlich auch dafür.)

Um den momentan politisch weniger bedeutsamen Bällen in der dritten Liga Aufmerksamkeit zu schenken: In Sandhausen folgte ein Hammer auf den anderen. Nach gerade elf Minuten lag der Gastgeber nach drei einfachen Standards mit 0:3 gegen Tabellenführer Jahn Regensburg zurück. Dann kamen die erwähnten Hämmer. Sechs an der Zahl. Endstand: 6:3. Die auf den Rasen geworfenen Tennisbälle mit folgender Unterbrechung dürften vor allem das angereiste Team gestört haben

Aus der Niederlage des Jahn musste das zweitplazierte Dresden am Sonntag unbedingt seinen Vorteil schöpfen, besonders nach dem überwältigenden 7:2-Sieg letzte Woche gegen Aufsteiger Lübeck. Im Sachsenderby am Sonntag bei Erzgebirge Aue nannten die Dynamo-Ultras die mit 2:1 siegreichen Gastgeber auf Spruchbändern ebenso Schweine wie die Macht ausübende Elite der Funktionäre. Leute, es geht ums Herz. Jeder liebt nun mal seinen Verein.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Roland W. aus 08280 Aue (20. Februar 2024 um 11:43 Uhr)
    Fußballfans in Masse stellen sich oft nicht gerade als die hellsten politischen Leuchten dar. Vom politischen Alltag des Politwahnsinns mal Abschalten, dafür kann ein volles Stadion, die Heimmannschaft, so sie als solche noch verstanden wird, recht gut geeignet sein. Wer hätte gedacht es könne auch unter Fans und im Stadion mal politischer werden, als es bisher vor allem auch gewalttätige Rechte mit ihren Parolen sind? Tennisbälle als Protest können wir doch gut finden. Vor allem ist es wunderbar, wenn selbst Massen von Fans das Gespür bekommen und wenn sie von Investoren hören, bei ihnen Licht und Alarmglocke schellt. Reformen oder Investoren sind zu Begriffen geworden, die allgemein schon auf allen Gebieten, inzwischen bis zum Fußball, Alarmstimmung, Befürchtungen und mehr auslösen. Das ist doch gut und jedenfalls besser, als es mit Demokratie, Freiheit und Menschenrecht noch immer gelingt, Millionen zu verblöden. Also bitte mehr Tennisbälle her, mehr Markt für Tennisbälle zum Ärgernis der Profiteure und Vermarktung der fast letzten Freuden einfachster sportlich begeisterter Fans.

Mehr aus: Sport