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Aus: Ausgabe vom 20.02.2024, Seite 2 / Inland
»Sicherheitsstrategie« der EU

»Von der Leyen ist eine Schande für Europa«

Fortschreitende Militarisierung in der EU bis hin zu Debatte über gemeinsame Nuklearwaffen. Ein Gespräch mit Clare Daly
Interview: Fabian Linder, München
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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Besuch bei einem NATO-Manöver in Norwegen (Rena, 31.10.2018)

Sie haben am Freitag bei der Münchner Friedenskonferenz, einer Alternativveranstaltung zum NATO-Treffen »Münchner Sicherheitskonferenz«, zur EU und deren Militarisierung gesprochen. Die gegenwärtige Debatte dreht sich mittlerweile auch um Nuklearbewaffnung in Deutschland und Europa. Wie kam es zu diesem Punkt?

Die Militarisierung der Europäischen Union schreitet schnell voran. Allerdings realisieren nur wenige Leute, dass die Führung der EU durch die Institutionen hindurch vom militärisch-industriellen Komplex gekapert wurden. Es sind diejenigen, die Europas sogenannte Sicherheitsstrategie entworfen haben. Nach dieser können wir nur sicher sein, wenn wir noch mehr Geld für Waffen und Militarisierung ausgeben, während Rüstungsfirmen profitieren. Um wirklich sicher zu sein, brauchen wir allerdings eine Politik, die sich um den Klimawandel und um die alltäglichen Probleme der Menschen – Wohnen, Löhne, steigende Preise – kümmert.

Wie steht es in Ihrem Herkunftsland um die Debatten zur Militarisierung?

Nicht gut. Zum ersten Mal ist unser Premierminister (Leo Varadkar von der christdemokratischen Fine Gael, jW) bei dieser sogenannten Sicherheitskonferenz. Ich denke, das ist absolut beschämend für alle Menschen in Irland, die sich gegen den Genozid an den Palästinensern einsetzen. Dass unser Premierminister ausgerechnet in diesem Jahr nach München reist, ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die solidarisch mit Palästina sind.

Sie haben in München auch über bereits laufende EU-Missionen gesprochen, von denen es mit fortschreitender Militarisierung noch mehr werden dürften. Was sind die Ziele dahinter?

Sie kleiden diese EU-Missionen in Lügen und reden über »Peacebuilding« und Trainingsmissionen. Es sind allerdings Interventionen, um Europas strategische Interessen zu bedienen. Es sind nicht die Interessen der europäischen Bevölkerung, sondern die der großen Unternehmen. Sie entreißen die Rohstoffe aus dem Herzen Afrikas auf Kosten der dort lebenden Bevölkerung und kreieren damit Instabilität in diesen Ländern. Das zwingt die Menschen zur Flucht nach Europa, wo sie sich an den Grenzen der Gewalt brutaler Einsatzkräfte ausgesetzt sehen.

Wem nützt diese Militarisierung an den EU-Außengrenzen?

Das dient nur dem militärisch-industriellen Komplex. Ursula von der Leyens Job als Verteidigungsministerin mit vielen Skandalen war der Grund, weshalb man sie an die Spitze der EU-Kommission setzte. Dort versucht sie, sich Macht zu nehmen, die sie nicht hat. Sie ist eine Schande für Europa. Ironischerweise war Irland bisher immer ein proeuropäisches Land. Wir sind sehr internationalistisch. Allerdings hat die irische Zustimmung zu Europa wegen der Rolle von der Leyens gegenwärtig stark abgenommen. Die Leute sehen, dass es keine Legitimität hierfür geben kann, wenn man über Menschenrechte, Werte und Demokratie spricht, während man grünes Licht für den Genozid in Gaza gegeben hat.

Im Juni sind Europawahlen. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

In meinem eigenen Land werden mein Kollege Mick Wallace und ich versuchen, uns wieder wählen zu lassen. Ich weiß, dass das Establishment in Irland sein Bestes geben wird, diese Stimmen für den Frieden und gegen Militarismus verstummen zu lassen. Ich habe aber auch große Hoffnung, wenn ich sehe, dass es in Deutschland Menschen gibt, die alternative Allianzen suchen, etwa rund um Sahra Wagenknecht. Ich hoffe, dass wir eine stärkere Stimme haben, um das zu artikulieren, was die Wünsche der Bevölkerung sind.

Und welche Wünsche sind das?

In Frieden und Solidarität mit ihren Nachbarn zu leben. Europa ist ein Kontinent, der Russland mit einschließt. Die einzige Möglichkeit in Frieden zu leben, ist, unsere Differenzen auf diplomatischem Weg beizulegen. Sie mit Militarismus beizulegen, führt nur zu Profiten der Rüstungsunternehmen sowie zu Tod und Zerstörung. Es braucht die Kooperation, um die Bedürfnisse der einfachen Leute, aber auch weltpolitische Fragen wie den Klimawandel zu lösen.

Clare Daly ist EU-Abgeordnete der irischen Partei Independents 4 Change (Unabhängige für den Wandel)

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