Schwebende Sprache
Mit einem Text über Familie und Transgeschlechtlichkeit hat der Autor Jayrôme C. Robinet am Donnerstag das diesjährige Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis eröffnet. Der aus Frankreich stammende und in Berlin lebende Sprachkünstler und -performer erzählte in seinem unveröffentlichten Romanfragment über einen schwangeren trans Mann und dessen liebevolle, zugleich traumatische Kindheit. Jurorin Mara Delius lobte den Text wegen seiner »vorsichtigen, etwas sachte schwebenden Sprache«. Die Jury zollte auch dem musikalischen Vortrag Robinets Respekt, kritisierte jedoch seinen konventionellen Stil und die angerissenen, nicht ausgeführten Erzählstränge.
Robinet, der 2019 sein autobiographisches Buch »Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund« veröffentlicht hatte, erntete mehr Applaus vom Publikum als Andreas Stichmann, der zweite der insgesamt zwölf Bewerber um den mit 25.000 Euro dotierten Hauptpreis. Der aus Bonn stammende Autor (»Eine Liebe in Pjöngjang«), der zum zweiten Mal bei dem Literaturwettstreit antritt, polarisierte die Jury mit einer Ich-Erzählung über einen biederen, aber mitteilungsbedürftigen 65jährigen, der in der Krise steckt. Als »fad und langweilig« bezeichnete Juror Klaus Kastberger den Text mit dem Titel »Verwechslunge«, während seine Kollegin Insa Wilke positive Vergleiche zu dem Humoristen Loriot und der Zeichentrickfigur Homer Simpson zog.
Die Autorinnen und Autoren im Wettbewerb präsentieren bis Sonnabend ihre Texte bei den 47. Tagen der deutschsprachigen Literatur (3sat überträgt). Am Sonntag werden die Auszeichnungen vergeben – allen voran der Hauptpreis, der an die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (1926–1973) erinnert. Voriges Jahr gewann ihn die aus Slowenien stammende und in Österreich lebende Autorin Ana Marwan. (dpa/jW)
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