Gegründet 1947 Dienstag, 19. März 2024, Nr. 67
Die junge Welt wird von 2767 GenossInnen herausgegeben
Buchmesse Havanna 2010

Buchmesse Havanna 2010

Berichte

  • · Berichte

    Erfolgreicher Abschluß

    In Havanna ist am Sonntag die diesjährige Internationale Buchmesse zu Ende gegangen. Nach einer vorläufigen Einschätzung des Pressezentrums dürften etwas mehr Menschen als im Vorjahr die Ausstellung besucht haben, als knapp eine Million Besucher gezählt wurden. Die Zahl der verkauften Bücher sei hingegen vermutlich leicht gesunken. Dazu beigetragen haben dürfte die Kältewelle. Erst am Wochenende präsentierte sich die kubanische Hauptstadt wieder mit strahlend blauem Himmel und rund 30 Grad Wärme. Hunderttausende zogen bei diesem Wetter zur Cabaña, der historischen Festung über dem Hafen von Havanna und wichtigstem Schauplatz der Buchmesse. Auf den Mauern der Festung saßen alte und junge Menschen, viele von ihnen mit der spanischsprachigen Sonderausgabe der jungen Welt in der Hand, die auch diesmal reißenden Absatz fand und teilweise sogar an den zentralen Infopunkten der Ausstellung gemeinsam mit dem Tagesprogramm verteilt wurde.

    So ist es nicht überraschend, daß die Delegation des Berliner Büros Buchmesse Havanna sich zufrieden mit dem Verlauf der Messe zeigte. Unter den zahlreichen Besuchern waren viele, die in der DDR studiert oder gearbeitet hatten und die Gelegenheit nutzten, endlich mal wieder ihr Deutsch ausprobieren zu können. Studierende fragten gezielt nach Autoren oder Wörterbüchern, andere interessierten sich eher für jW-Werbeartikel, während sich Kinder über kunstvoll zu Hunden oder Kolibris geformte Luftballons freuten. Bei mehreren Veranstaltungen stellten Autorinnen und Autoren aus Deutschland ihre neuen Werke vor. Auf einer weißen Wand im Eingangsbereich der alternativen deutschen Ausstellung wurden die Besucher eingeladen, ihren Namen und vielleicht einen kleinen Gruß zu hinterlassen. Diese Möglichkeit wurde eifrig genutzt, und die Mitteilungen waren nicht nur auf Spanisch, sondern auch auf Deutsch, Chinesisch, Arabisch und in anderen Sprachen.

    »Cuba Sí«, das mit einer kubanischen Partnerorganisation einen eigenen Stand auf der Buchmesse betrieben hatte, lud am Rande der Veranstaltung zu Besuchen der von der Vereinigung unterstützten Milchprojekte in der Umgebung von Havanna und in Pinar del Río ein. Als eine Demonstration der Solidarität mit Kuba hatte sich bereits zu Beginn der Woche die Übergabe von 20 Fahrrädern an die »Cátedra Humboldt«, den Lehrstuhl für deutsche Sprache an der Universität von Havanna, gestaltet.

    Nur welches Land sich im kommenden Jahr auf der Internationalen Buchmesse als Ehrengast präsentieren darf, blieb bis Redaktionsschluß ein streng gehütetes Geheimnis.

    (scha)

  • · Berichte

    »Lieber zuviel Freiheit«

    Interview: André Scheer
    44-S-03.jpg

    Über neue Tendenzen in der Literatur Lateinamerikas, Chávez’ Bekenntnis zum Marxismus und die Wahlen in Venezuela. Ein Gespräch mit Luis Britto García

    Luis Britto García (geboren 1940 in Caracas) ist einer der bekanntesten Schriftsteller, Essayisten und Literaturwissenschaftler Venezuelas. Auf der Internationalen Buchmesse in Havanna stellte er seinen neuen Roman »Pirata« vor

    Welchen Eindruck haben Sie von der Internationalen Buchmesse in Havanna?

    Einige meiner Kollegen haben gesagt, diese Messe gleiche eher einem Rockkonzert oder einem Fußballendspiel. Es ist immer wieder beeindruckend, wie neue Bücher so viele Menschen anziehen können. Wir kennen so etwas von Großveranstaltungen wie der Buchmesse in Frankfurt, aber in Lateinamerika, das noch immer vom Analphabetismus geprägt ist, ist eine solche Veranstaltung, die so viele Menschen anzieht, die sich neue Bücher ansehen wollen, einzigartig und beispielhaft.

    Gibt es etwas vergleichbares in Venezuela?

    Es gibt eine jährliche Buchmesse, aber diese erreicht keine solche Größenordnung wie hier in Havanna oder auch in Bogotá, wo es ebenfalls eine große Buchmesse gibt. In Venezuela hat die Regierung die Auflagenzahl der veröffentlichten Bücher verdreifacht und den Analphabetismus überwunden, wofür sie von der UNESCO ausgezeichnet wurde. Es gibt aber noch einige Probleme beim Vertrieb und vor allem beim Leseverhalten.

    Was sind für Sie die derzeit wichtigsten Entwicklungen in der lateinamerikanischen Literatur?

    Interessanterweise beeinflußt die Integration Lateinamerikas die Literatur noch nicht. Manchmal dauert es, bis aktuelle Ereignisse von der Literatur widergespiegelt werden. Andere Ereignisse werden von der Literatur hingegen vorweggenommen. So spielt die derzeitige Entwicklung Venezuelas zum Sozialismus in der Literatur unseres Landes bereits seit 1960 eine Rolle, es gab eine revolutionäre Kultur­avantgarde. Es gibt viele Bücher, die die Rebellion und die Gewalt in Venezuela zum Thema haben, aber der große Roman über den venezolanischen Prozeß ist noch nicht erschienen. Das kann man aber nicht erzwingen, sondern muß Geduld haben. Es hat bereits einige Versuche gegeben, die aber von ihrer Form her nicht sonderlich gelungen sind.

    In der Literatur Lateinamerikas dominiert nach einer Phase von Experimenten auf der formellen Ebene derzeit eine Richtung sehr einfacher Erzählungen über persönliche Ereignisse und persönliche Sichtweisen. Die Autoren beschreiben sehr umfangreiche und komplizierte Themen, aber in einer Weise, die das Verständnis durch den Leser vereinfacht. Interessanterweise gibt es eine reichhaltige Literatur über das Exil, viele Schriftsteller, schreiben über ihre Erfahrungen in Europa oder in den USA. Ein weiteres Thema ist der Staatsterrorismus, der in gewisser Weise das Genre des lateinamerikanischen Kriminalromans prägt. Schließlich gibt es eine starke Strömung weiblicher lateinamerikanischer Literatur. Immer mehr Frauen schreiben sehr gute Bücher und erreichen damit ein großes Publikum.

    Welche Rolle spielen die Massenmedien?

    Darauf generell für ganz Lateinamerika zu antworten, ist schwierig, weil es sehr unterschiedliche Aspekte gibt. In Venezuela haben die großen Zeitungen zum Beispiel ihre Literaturbeilagen weitgehend abgeschafft, weil sie sich wirtschaftlich nicht rentiert haben. Vor kurzem haben jedoch einige Zeitungen diese Literaturbeilagen wieder eingeführt, aber nur, um bestimmten Autoren aus der Opposition Raum zu geben und sie so in gewisser Weise zu Sprechern der Regierungsgegner zu machen. Verglichen mit der großen Macht, die die Massenmedien haben, ist ihre Verbindung mit der Literatur aber sehr zurückhaltend.

    Gibt es darauf eine Antwort durch die fortschrittlichen Regierungen Lateinamerikas?

    Die Medien in Lateinamerika stehen nahezu geschlossen in Opposition zu den fortschrittlichen Regierungen. Sie kritisieren absolut alles, was ja auch ihr gutes Recht ist, aber unter dem Mantel der Meinungsfreiheit rufen sie auch zur Ermordung von Staatschefs und zu Putschen auf und verbreiten Falschmeldungen, um Verwirrung zu stiften. In dieser Lage kann eine Regierung nur wenig tun, um diese Medien dazu zu bringen, der Kultur größeren Raum zu geben. Die venezolanische Regierung hat eine Linie des absoluten Respekts der Meinungsfreiheit verfolgt, selbst Medien, die zu Morden aufgerufen haben, ist nichts passiert. Die Regierung läßt sich lieber dafür kritisieren, überzogen viel Freiheit zu gewähren, als sich dem Vorwurf auszusetzen, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Die Privatmedien interessiert nur der Gewinn, und sie richten ihre Programme vollständig danach aus. Deshalb entstehen neue Medien, an der Basis oder öffentlich-rechtliche Kanäle. In Venezuela gibt es mittlerweile fünf öffentliche Fernsehsender, dazu kommen alternative Medien, kleine Radio- und Fernsehsender mit sehr begrenzter Reichweite. Das ist eine sehr starke Bewegung, um diese Einstimmigkeit der Medien zu durchbrechen. In Venezuela erscheinen 90 Tageszeitungen, davon verfolgen nur zwei eine ausgewogene Linie. Interessanterweise sind das die beiden Zeitungen mit der größten Auflage, die Öffentlichkeit möchte also eine solche ausgewogene Berichterstattung haben. In den letzten Jahren sind außerdem zwei Zeitungen entstanden, die die Regierung unterstützen. Im Fernsehen gibt es 70 Kanäle, die in eiserner Feindschaft gegen die Regierung stehen. Anfangs gab es dagegen nur einen einzigen öffentlichen Kanal, der noch nicht einmal im ganzen Land gesehen werden konnte. Zu diesem sind mittlerweile vier weitere Programme gekommen.

    In Bolivien ist die Lage genauso, es gibt eine Blockade der Medien gegen die Regierung von Evo. In Ecuador konnte ich beobachten, daß es eine regelrechte Medienoffensive gegen die Regierung von Rafael Correa gibt.

    Besonders Venezuelas Präsident Hugo Chávez wirbt häufig bei seinen Auftritten für Bücher, die dann oft an die Spitze der Verkaufslisten stürmen...

    Ja, das ist eine ganz spannende Sache. Der Präsident hat einen unglaublichen Arbeitsrhythmus und beruft seine Minister manchmal mitten in der Nacht zu Sitzungen ein. Er liest sehr viel und hat eine wöchentliche Fernsehsendung, »Aló, Presidente«, bei der er sich stundenlang mit dem Publikum unterhält, Anrufe entgegennimmt usw. In jeder Sendung stellt er zahlreiche Bücher vor, nicht nur ein Buch, wie er Barack Obama »Die offenen Adern Lateinamerikas« von Eduardo Galeano empfohlen hat. Diese Empfehlungen sind ein wichtiger Ansporn für den Verkauf dieser Werke. Der Präsident spielt also Buchhändler, aber wenn die anderen Medien das nicht machen, ist das doch gut so.

    Vor kurzem hat Präsident Chávez erstmals erklärt, daß er Marxist sei, während er früher immer betonte, nichts gegen den Marxismus zu haben, selbst jedoch kein Marxist zu sein. Ist das nun ein Strategiewechsel?

    Diese Aussage bringt mir den Präsidenten noch näher, als zuvor schon, denn ich glaube, ich bin seit meinen Jugendjahren Marxist. Chávez wurde elf Jahre lang dämonisiert, ihm wurde alles mögliche vorgeworfen, seine Regierung sei kommunistisch, stalinistisch, terroristisch. Vielleicht hat sich Chávez zu einem bestimmten Zeitpunkt gefragt, was er gewinnt, wenn er sagt, daß er kein Marxist sei, wenn sie ihm das trotzdem vorwerfen. Chávez liest viel und hat sich auch in die marxistische Literatur vertieft. Offenbar haben ihn diese Werke überzeugt. Seine Verbindung zur Linken stammt schon aus der Zeit, als er noch ein sehr junger Soldat war und auf ein Lager mit linker Literatur, kleinen Broschüren und Faltblättern stieß und sie aus reiner Neugier las.

    Venezuela wählt in diesem Jahr die Abgeordneten der Nationalversammlung. Was erwarten Sie von dieser Wahl?

    Derzeit ist die Zusammensetzung unserer Nationalversammlung das Ergebnis der selbstmörderischen Aktionen der Opposition. Sie boykottierte die letzte Wahl, um die Abstimmung als manipuliert darzustellen, obwohl sie von Hunderten internationalen Wahlbeobachtern überwacht wurde. Wenn die Opposition diesmal an der Wahl teilnimmt, wird es diese praktische Einstimmigkeit natürlich nicht mehr geben. Ein bestimmter Teil der Opposition hat eine gewisse Relevanz, aber diese geht meiner Meinung nach nicht über 40 Prozent hinaus.

    Die Nationalversammlung hätte in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe wichtiger Gesetze auf den Weg bringen müssen. Ich würde sogar sagen, die Parlamentarier hätten das Gesetzsystem eines sozialistischen Staates ausarbeiten müssen. Das ist nicht geschehen. Deshalb muß der bolivarische Prozeß sehr vorsichtig sein, wen er für das Parlament aufstellt, denn es werden umkämpfte Wahlen sein, und in der Nationalversammlung wird es dann komplizierte Diskussionen geben.
  • · Berichte

    Mit oder ohne Blockade

    André Scheer
    43-S-07.jpg
    In der Altstadt von Havanna gibt es derzeit über 100 Rekonstruktionsprojekte

    Sanierung des historischen Zentrums der kubanischen Hauptstadt wird durch den Boykott der USA und Deutschlands erschwert

    Das »Haus der Sklaven« im Zentrum von Habana Vieja, der Altstadt von Havanna, wurde 1629 von einem spanischen Adligen errichtet. Später nisteten sich in dem großen Palast Sklavenhändler ein, die durch den Verkauf von aus Afrika verschleppten Menschen ein Vermögen anhäuften. Der Volksmund taufte das Haus deshalb entsprechend, und bis heute ist es unter diesem Namen bekannt. Das berichtete Havannas Stadthistoriker Eusebio Leal, der in dem aufwendig restaurierten Gebäude derzeit seine Büros hat. Doch nicht mehr lange, wie er hinzufügte, denn in Kürze soll im Erdgeschoß ein Marionettentheater für Kinder einziehen, während die großartige Akustik im Obergeschoß für Konzertaufführungen genutzt werden soll. Eigentlich sollte das Haus jedoch einen ganz anderen Nutzer haben, das deutsche Goethe-Institut. Die Verträge über die Einrichtung einer Niederlassung dieses Vereins zur Förderung der deutschen Sprache im Ausland lagen bereits unterschriftsreif vor, als die Bundesregierung ihre Bereitschaft zur Eröffnung zurückzog und sich dem von der EU im Juni 2003 beschlossenen Kulturboykott gegen Kuba anschloß. Bislang zeigt sich Berlin nur zögerlich bereit, zu einer Kooperation auf Augenhöhe mit der Insel zurückzukehren.

    Eusebio Leal, dessen Vorfahren mütterlicherseits als Calvinisten aus Süddeutschland 1808 nach Kuba ausgewandert waren, bedauert das sehr. Der Beauftragte für die Sanierung der historischen Gebäude in der Altstadt sieht in der Rekonstruktion historischer Bauten in Dresden beispielsweise ein wichtiges Vorbild für seine Arbeit und würde gern die Zusammenarbeit mit seinen deutschen Kollegen intensivieren. So aber trägt Deutschland einen Teil zur Blockade Kubas durch die USA bei.

    Für den gläubigen Katholiken und überzeugten Kommunisten Eusebio Leal bedeutet die Blockade zusätzliche Schwierigkeiten bei der ungeheuren Aufgabe, die verfallenen Gebäude der Altstadt zu retten und zu sanieren. »Um eine Zimmerdecke in historischen Gebäuden zu reparieren, gibt es zwei Möglichkeiten: Beton oder Holz. Wenn wir aber den historischen Reiz des Hauses bewahren wollen, führt kein Weg an Holz vorbei.« Holz aber ist in dem waldarmen Kuba rar und muß importiert werden.

    Bereits ab Mitte des 20. Jahrhunderts verlor die Altstadt von Havanna ihre Funktion als kubanisches Verwaltungszentrum, als immer mehr Institutionen und Ministerien sich in anderen Teilen der Stadt ansiedelten. Was blieb, waren die Hafenbehörden und die großen Banken, so daß Habana Vieja zum Finanzzentrum Kubas wurde. Nach der Revolution und der Verstaatlichung der Finanzinstitute endete jedoch das Protzen und Spekulieren, zugleich siedelten sich Menschen aus den ärmsten Schichten der Bevölkerung in der Altstadt an, die vom Land nach Havanna strömten, um Arbeit zu finden. »Habana Vieja ist ausgelegt für etwa 45000 bis 48000 Menschen, derzeit leben hier aber mehr als 75000 Menschen«, berichtete Leal. So hätten allein in einem einzigen Haus an der Plaza Vieja 63 Familien gewohnt. »Es ist also ganz klar, daß diese Bevölkerungsdichte aufgelöst werden muß«, erläuterte der Stadtschreiber. »Aber das kann nicht administrativ gehandhabt werden.« Man wolle niemanden zwingen, das Haus zu verlassen, zugleich sei aber klar, daß nicht alle bleiben können. »Wir bauen gegenüber der Bucht, auf der anderen Seite des Hafens, einen kompletten neuen Stadtteil, wo die Menschen, die umziehen müssen, ein eigenes, neues Dach über dem Kopf haben. Das hätten sie sich früher nie träumen lassen«, so Leal. Wer in Habana Vieja geboren worden sei, könne vorrangig in der Altstadt wohnen bleiben, ebenso die alten Menschen, denen man einen Umzug nicht mehr zumuten wolle. Mehr als 200 Architekten und 3000 Arbeiter sind derzeit allein in Habana Vieja mit 104 Rekonstruktionsprojekten beschäftigt. Dabei achte man darauf, daß die renovierten Häuser weiter als Wohnungen genutzt werden können, unterstrich Leal und verwies auf die renovierte Plaza Vieja, wo die Erdgeschosse nun von Geschäften genutzt werden, während oben weiterhin Familien wohnen. »Ich werde meine Aufgabe erfüllen, ob mit oder ohne Blockade«, unterstrich er zum Abschied.

  • · Berichte

    Großer Bahnhof bei Kollegen

    André Scheer
    Elson Concepción Pérez
    Elson Concepción Pérez von der Tageszeitung Granma

    Kubas Journalisten zeigten sich gestern sehr interessiert am Austausch mit ihren deutschen Kollegen, uns. Im Gebäude des kubanischen Journalistenverbandes UPEC wurden wir von nicht weniger als einem guten Dutzend Mitarbeitern von Zeitungen, der Nachrichtenagentur ACN und Habana Radio begrüßt. Auch UPEC-Präsident Tubal Páez und mehrere der insgesamt sechs Vizepräsidenten nahmen an dem Gespräch teil, an dem von unserer Seite leider nur fünf Kolleginnen und Kollegen teilnehmen konnten.

    Bereitwillig gaben die Kollegen Auskunft über ihre Arbeitsbedingungen und amüsierten sich über die von ausländischen Journalisten immer wieder geäußerte Vermutung, sie müßten ihre Artikel vor der Veröffentlichung erstmal bei der Partei vorlegen. Das sei absoluter Unsinn, bestätigten alle. Allerdings müsse man als kubanischer Journalist manchmal auf eine Story verzichten, um nicht dem eigenen Land zu schaden. »Wenn eine spanische Hotelkette zum Beispiel ein neues Haus bauen will, dann wäre das eigentlich eine wichtige Nachricht. Wenn wir die aber zu früh bringen, würden die USA das nutzen, um noch zu versuchen, den Bau zu verhindern«, erläuterte Páez. Neun von zehn Handelsabkommen kämen letztlich nicht zustande, weil Washington Druck auf die Handelspartner ausübe, kritisierten die Journalisten, denen die Nachrichten von nicht weniger als 40 Agenturen aus aller Welt zur Verfügung stehen, darunter die deutsche DPA, die französische AFP, aber auch die US-amerikanische AP.

    Für US-Journalisten gibt es eine Ausnahmegenehmigung der US-Regierung, so daß sie für Reisen nach Kuba nicht bestraft werden. Insgesamt 157 ausländische Korrespondenten sind in Havanna akkreditiert, darunter auch Vertreter von AP, CNN und anderen US-Medien. »Uns ist es lieber, wenn sie über Kuba aus Havanna berichten als aus Miami«, begründete Elson Concepción Pérez von der Tageszeitung Granma, warum die kubanische Regierung die Präsenz dieser ihr nicht gerade freundlich gesonnenen Reporter gestattet. Umgekehrt sei das allerdings anders, kein einziger kubanischer Journalist dürfe als ständiger Korrespondent aus den USA berichten. »Es gibt nur einen kubanischen Korrespondenten in den USA, aber der ist bei der UNO akkreditiert und darf nur darüber berichten, was in der UNO passiert, nicht aber über etwas, das auf der anderen Straßenseite geschieht.« Nur zu besonderen Ereignissen wie Sportmeisterschaften könne Washington den kubanischen Journalisten die Visa und Akkreditierung nicht verweigern.

  • · Berichte

    Wer mit wem

    Christof Meueler
    42-S-12.jpg
    Der Engtanz enthüllt alles

    Gruß vom historischen Meeresgrund: Cátedra und Buchmesse in Havanna

    »Germany wunderbar« lautet eine Plakatparole, »Natürlich Österreich« eine andere und dazwischen die »Angst vor Veränderung?«-Werbeposter der jW, auf denen Fidel Castro ein Gewehr in die Höhe reckt. So sieht es aus in der Cátedra Humboldt, einem Treffpunkt für Leute, die deutsch sprechen oder es lernen wollen, mitfinanziert von der Kuba-Soli-Bewegung.

    Die Kubaner hier werden unterrichtet von Praktikanten und Austauschstudenten aus Deutschland und Österreich. Der deutsche Staat zahlt nichts, der österreichische gewährt den Deutsch-Unterrichtern etwas Unterstützung. Literatur wird anderswo studiert, in der Cátedra geht es um basale Sprachkenntnisse, das heißt um Kommunikation statt Wissenschaft.

    Das Haus hat einen lauschigen, großen, schönen Balkon. Je weiter man reingeht, desto mehr sieht es aus wie das Handy in meiner Hosentasche, also ziemlich abgerockt, wie die meisten Häuser in Havanna. Noch fertiger wirken manche Bücher in den Regalen, mit Stempeln drin wie: »Gewerkschaftsbibliothek. Botschaft der DDR in Havanna«. Ein Gruß vom historischen Meeresgrund, so sehen zumindest die Bücher aus. Aber es gibt natürlich auch viele optisch schnieke Werke: merkwürdigerweise eine Menge Martin Walser, aber auch Günther Anders, Herbert Marcuse, Thomas Bernhardt, Heinrich Heine, Peter Härtling – und Ernest Bornemann: »Lexikon der Liebe A–K«. Das Buch »Keine Angst vor niemand« aus der Edition Nautilus, in dem Daniel Dubbe und Gabriele Rollnik über die Bewegung 2. Juni sprechen, ist da. Der ganze Popliteraturkrempel, der das BRD-Feuilleton in den Nullerjahren in Atem gehalten hat, fehlt vollständig und Uwe Tellkamp zum Glück auch. Denn, liebe Genossinnen und Genossen, sonderlich wichtig war das eben nicht. Embargo plus Sonderperiode ist gleich: die Beschränkung aufs Wesentliche.

    Am Montag las die Berliner Schriftstellerin Dorle Gelbhaar in der Cátedra, Mitveranstalter war das Berliner Büro Buchmesse Havanna. Auf Wunsch des Publikums las Gelbhaar in Slow-Motion-Deutsch, damit man auch alles verstand. In zwei Stories skizzierte sie einen Gestern-Heute-Effekt für Ostdeutschland. Eine Geschichte hieß »Marzahn-Schmerzen« und handelte sozusagen von der Grammatik des Begehrens junger sogenannter Aussiedler. Von Mädchen träumen und Nazis begegnen. Die zweite Geschichte verhandelte eine tragikomische Dreierkiste im »Kabelwerk Oberspree« zwischen zwei weiblichen Angestellten und ihrem Chef, dem »dicken Köhler«. Die eine ist im Betrieb die »Herrscherin über das Material« und probiert zu Hause Unterwäsche vor dem Spiegel aus. Das hört man und schaut hoch an die Decke der Cátedra, an der Stahlträger durchschimmern. Alles endet in einem typischen DDR-Garten. Wer mit wem – der Engtanz enthüllt alles.

    Anschließend trug Madeleine Porr aus dem aufklärerisch gedachten ­Science-Fiction-Roman »Das Tahiti Projekt« von Dirk C. Fleck vor. Auf dem Buchrücken steht groß gedruckt: »Ist die Welt noch zu retten?« Für Fleck, früher Redakteur von Tempo und Woche, kein Problem, man muß nur ein paar visionäre Umwelttechnologien durchsetzen. Macht Reiskleie zum Straßenbelag und Bambus zu Kleidungsstücken! Porr hat Flecks Buch, eine Art Auftragsarbeit für die Ökologiebewegung, ins Spanische übersetzt und sucht dafür einen Verlag in Kuba. Ansonsten propagiert sie die Macht des Amarant-Korns, aus dem sie »fröhliche Brote« backen möchte, um die Klimakatastrophe mit Hilfe von »Kreislaufsystemen« direkt anzugehen. Fehlt nur noch der Geldgeber.

    Ökonomie, immer wieder Ökonomie. Die BRD verlangte von Kuba, alle Schulden, die das Land bei der DDR hatte, zurückzuzahlen. Auch wenn Kuba nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus wirtschaftlich praktisch bei null beginnen mußte. Darauf wies Steffen Niese hin, der in der Cabana, der Festung über der Stadt, in der die Buchmesse Havanna stattfindet, sein Buch »Die deutsche Kuba-Politik seit 1990« vorstellte, präsentiert von Cuba Si. Es ist seine Abschlußarbeit in Politikwissenschaft, die bei PapyRossa erschienen ist. Zu dem Thema gibt es bislang noch nichts.

    Auch Porr und Gelbhaar haben in der Cabana vorgetragen. Gelbhaar las aus ihrem jüngsten Werk »Anders und die Duisburger Mafia«, erschienen bei Leporello. Es ist ihr zweiter Krimi über den ehemaligen DDR- und heutigen BRD-Polizisten Jürgen Anders. Toll war, daß die kubanische Übersetzerin das Wort »Ausbeutung« nicht verstand.

  • · Berichte

    Das gute Leben

    André Scheer, Havanna

    Jubiläen auf der Buchmesse in Havanna

    Roberto Fernandez Retamar ist der wichtigste kubanische Literaturwissenschaftler und einer der bedeutendsten Schriftsteller der Insel. Im Juni wird er 80. Er fühlt sich jünger. Als auf der Buchmesse in Havanna das 50. Bestehen zweier Kulturzeitschriften gefeiert wurde, erkundigte sich Retamar mit einem Schmunzeln, ob diese nicht viel jünger wären. Ihm käme es so vor.

    Chef der Zeitschrift Casa de las Americas (Haus der Amerikas) wurde Retamar auch erst 1965, fünf Jahre nach ihrer Gründung. Er blieb es bis vor wenigen Jahren – »die meiste Zeit meines Lebens«, wie er selbst feststellte.

    Das Haus der Amerikas wurde 1959 eröffnet, Monate nach dem Einzug der bärtigen Revolutionäre aus der Sierra Maestra in Havanna. Für den Erzähler, Essayisten und Journalisten Reynaldo González – einer der beiden kubanischen Intellektuellen, denen die diesjährige Buchmesse gewidmet ist – war die »Casa« gerade in den 60ern eine »Visitenkarte der Kubanischen Revolution für die Völker Lateinamerikas«, auch dank ihrer Zeitschrift. Das Kulturmagazin propagiert nicht »reine« Kunst, sondern stellt sich immer in den Dienst der Kämpfe der jeweiligen Epoche.

    Die aktuelle Ausgabe – Nummer 257, das Blatt erscheint vierteljährlich in Buchform – widmet sich der Kultur Ecuadors. Die Antrittsrede des Präsidenten Rafael Correa vom 10. August ist dokumentiert. In einem umfangreichen Aufsatz erörtert Alberto Acosta Unterschiede zwischen dem aus der indigenen Kultur übernommenen Konzept des »guten Lebens« und dem »Dolce Vita« der herrschenden Klassen. Dazu kommen zahlreiche Gedichte, Geschichten und andere Beiträge von Autoren des süd­amerikanischen Landes.

    Das Magazin Cine Cubano (Kubanisches Kino), Schwesterblatt der Casa-Zeitschrift, feierte auf der Buchmesse ebenfalls 50. Geburtstag. Chefredakteur Omar González berichtete von Schwierigkeiten, die Erstausgabe zu datieren. Aus einer Laune der ersten Herausgeber heraus wurden die Ausgaben lange nur numeriert, nicht datiert. Anhand der behandelten Filme und Ereignisse wurde nun rekonstruiert, daß die Nummer eins im Juni 1960 erschien. Viele Studenten stünden heute noch vor großen Herausforderungen, wenn sie Texte über bestimmte Filme suchten.

    Stolz zeigte González die erste Ausgabe, ein einfach gemachtes Schwarz-Weiß-Heft mit einem Bild aus dem ersten Revolutionsfilm »Esta tierra nuestra« (Diese unsere Heimat) vornedrauf. Heute ist Cine Cubano ein umfangreiches, vierfarbig gedrucktes Magazin. Die Aufmachung spiegelt die veränderten Bedingungen der kubanischen Filmschaffenden wider.

  • · Berichte

    Che, Retamar und fünf Helden

    André Scheer
    Roberto Fernandez Retamar
    Roberto Fernandez Retamar (Mitte) bei einer Veranstaltung über die Zeitschrift der Casa de las Américas

    Rogelio tourt mit seinen knapp 70 Jahren durch die Bars von Havanna. Besonders gern macht er mit seiner Gitarre Station im »Fausto«, einer Gaststätte nahe des Prado. Hier unterhält er die Gäste mit den üblichen Liedern, die Kuba-Touristen hören wollen: Guantanamera und Hasta siempre, Che Guevara. Doch im Gegensatz zu vielen anderen der Gitarrenspieler, die jeden Barbesuch in der kubanischen Hauptstadt zum Discobesuch werden lassen, kann Rogelio nicht nur Gitarre spielen, er kennt auch die Lieder. Und er schreibt selber welche, zum Beispiel »Bolívar und Martí«, ein Lied über die beiden Helden der Unabhängigkeitskämpfe Venezuelas und Kubas. Beide Länder sind eines, heißt es in dem von ihm selbst geschriebenen Song, der vermutlich bei den zahlreichen Gästen aus dem Land des südamerikanischen Verbündeten gut ankommt.

    Er spielt natürlich auch das eine oder andere Lied aus Nordamerika oder Europa, das seine Zuhörer gerne hören wollen, aber sein Herz schlägt für die kubanische und lateinamerikanische Kultur. Das vereint ihn mit dem Großmeister der kubanischen Literaturwissenschaften, Roberto Fernández Retamar. Schon in den 70er Jahren hatte der langjährige Vorsitzende des kubanischen Schriftstellerverbandes mit seinem Essay »Calibán« ein flammendes Plädoyer für ein lateinamerikanisches kulturelles Selbstbewußtsein vorgelegt. Lange Jahre leitete er außerdem die Zeitschrift des angesehenen kubanischen Kulturinstituts »Casa de las Américas«. Auf der Buchmesse in Havanna ist Retamar auch mit fast 80 Jahren noch vielbeschäftigt. Am Montag sprach er bei der Feier zum 50. Geburtstag der »Casa«-Zeitschrift, heute referiert er über Miguel Hernández und am morgigen Mittwoch liest er eigene Gedichte.

    Noch präsenter auf der Messe, allerdings als Thema, ist Che Guevara. Am Montag konkurrierten gleich zwei Buchvorstellungen um die Aufmerksamkeit. Bei der einen wurde feierlich das Interview mit Ches Reisegefährte Alberto Granado präsentiert, über das wir bereits berichtet haben. Der auch in Deutschland bekannte Gerardo Alfonso sorgte dabei für die musikalische Begleitung. In der Sala José Antonio Portuondo wurde nahezu zeitgleich die Neuauflage einer Sammlung von Che-Zitaten präsentiert. Das schmale Bändchen mit alphabetisch nach Schlagworten sortierten Aussagen des Comandante über »Bildung und der Neue Mensch« war bereits in den 80er und 90er Jahren in hohen Auflagen verbreitet worden und soll nun noch einmal in allen Teilen Kubas breit vertrieben werden.

    Schon am Sonntag hatten die fünf in US-Gefängnissen inhaftierten Kubaner im Mittelpunkt einer Veranstaltung gestanden, bei der Kubas Parlamentspräsident Ricardo Alarcón es übernommen hatte, zwei neue Bücher über den Fall zu präsentieren. Er betonte, daß die juristischen Wege zugunsten der fünf in Kuba als Helden verehrten Männer, die Terrorgruppen in Miami unterwandert hatten, ausgeschöpft sind. Die Lösung könne deshalb nur eine politische sein. Dazu seien weltweit Aktivitäten der Solibewegung und aller ehrlich denkenden Menschen nötig. Scharf kritisierte er die internationalen Massenmedien, die den Fall der Fünf nahezu vollständig totschwiegen. Deshalb sei er auch nicht bereit, nach seiner Ansprache gegenüber Journalisten »auch nur die Frage nach meinem Namen« zu beantworten. Er sei es müde, daß die Reporter zahlreich zu den Veranstaltungen über die Fünf kämen, um ihm anschließend Fragen zu stellen, aber auf das Thema ihrer Freilassung anschließend in ihren Artikeln mit keinem Wort eingingen.

  • · Berichte

    Wer kann, muß schreiben

    Christof Meueler

    Nadine Gordimer auf der Buchmesse in Havanna

    Der kubanische Sozialismus ist drauf. Man erkennt es an der Hosenfrage. Glaubte man in der DDR stellenweise nicht im falschen Film, sondern in der falschen Hose zu stecken, sind hier die für Lebenswelt-Ästhetik und Coolness-Philosophie lebenswichtigen Jeans überall zu sehen. Und zwar in Blau. Denn wem klingelt nicht noch die Kampflosung »White jeans? No! Blue Jeans? Yeah!« in den Ohren, die Ulrich Plenzdorf Anfang der 1970er Jahre in seinem Theaterstück »Die neuen Leiden des jungen W.« ausgegeben hatte?

    In Kuba jedenfalls werden fast nur Blue Jeans getragen, und die sind auch nicht merkwürdig marmoriert wie in der Spät-DDR, sondern up to date, extrageknittert oder supereng, wie sie auch in einem Berliner Geschäft nicht anders zu haben sind.

    Nadine Gordimer, als 86jährige Literaturnobelträgerin aus Südafrika der prominenteste Gast auf der Buchmesse in Havanna, trug bei ihrem Auftritt am Samstag keine Jeans, sondern einen leichten Hosenanzug mit orangem Umhang, passend zu einem orangen Blumenbouquet links und rechts hinter dem Podium, auf dem sie saß und dem Publikum Fragen über ihr Werk und ihren Stil beantwortete. Außerdem präsentierte sie die kubanische Ausgabe von »Un capricho de la naturaleza« (Eine Laune der Natur), worüber sie aber keine weiteren Worte verlor. Schon immer habe sie eine gute Beziehung zur kubanischen Revolution gehabt, erzählte sie, in den Zeiten von Guantánamo sei diese Beziehung »intensiver« geworden. Guantanamo sei ein einziger Skandal, zumal die USA sich in einem anderen Land ein exterrritoriales Gebiet anmaßten, in dem sie foltern könnten. Allerdings könne sie auch nichts anderes tun, als ununterbrochen dagegen Petitionen zu unterschreiben, wie auch für die Cuban Five oder gegen die Blockade.

    Bemerkenswerterweise wurde Gordimers Auftritt auf der Messe von den internationalen Medien komplett ignoriert, nur einige kubanische Zeitungen berichteten. Sie persönlich ist übrigens der Ansicht, daß Barack Obama das Embargo gegen Kuba stoppen wird, was im Publikum zu leichten Irritationen führte. Man müsse dem Mann Zeit geben, sagte Gordimer, er würde sich in einer schwierigen Situation befinden – aber wenn er das Embargo dieses Jahr nicht beende, dann würde sie »sehr, sehr wütend«.

    Begeistert zeigte sich die Literatin über die Masse von Minderjährigen, die die Straßen der Festung Cabana fluten, in der die Buchmesse stattfindet. Diese Kinder wollten lesen, meinte sie, in Südafrika dagegen wären die einzigen Bücher, die den Kindern begegneten, ihre Schulbücher. Sie selbst hätte entschieden zuwenig Shakespeare gelesen, meinte sie. Dem wurde im Publikum widersprochen. Eine deutsche Buchhändlerin sagte mir, sie mußte mit den Tränen kämpfen, weil sie diese ebenso zierlich wie sehr prägnant, ja geradezu mit freundlichem Stolz auftretende Schriftstellerin schon immer verehrt habe.

    Die Best-of-Lektüre von Nadine Gordimer sieht dann so aus: Jorge Luis Borges, Carlos Fuentes, Aleja Carpentier, Leo Tolstoi, Marcel Proust und Bertolt Brecht. Für Gordimer bildet sich ein Schriftsteller übrigens selber aus – natürlich durch Lesen und der Fähigkeit zur Selbstkritik. Man hat angeborenes Talent, das man dann trainiert, glaubt Gordimer, und wer das nicht hat, der kann das auch nicht an der Schule oder an der Universität lernen.

    Und da fragte jemand aus dem Publikum: »Ist es denn die Literatur wert, daß man ihr soviel Zeit opfert?« Ein bißchen geschockt holte Gordimer tief Luft und rief: »Die Literatur ist die Ausbeutung des Lebens in all seinen Aspekten: Politik, Psychologie, Ökonomie etcetera!« Sie selber habe immer nur dann geschrieben, wenn sie fühlte, daß sie muß.

    In Südafrika wurden drei ihrer Bücher verboten – »what happens there, shakes me«. Nie habe sie zwischen »weiß«, »schwarz« oder »farbig« unterschieden, die Hautfarbe hätte sie noch nie interessiert. Trotzdem sei sie auf keinen Fall mit den Figuren ihrer Romane zu verwechseln, denn sie schreibe nicht biographisch. Heute habe Südfafrika übrigens die beste Verfassung der Welt, zumindest theoretisch. Schwule und Lesben beispielsweise könnten gegen Diskriminierung klagen.

    Mit einem schönen Versprecher beendete Nadine Gordimer ihren Auftritt auf der Buchmesse in Havanna: »I like to read you, äh to meet you«.

  • · Berichte

    Der Gefährte

    André Scheer
    Alberto Granado
    Alberto Granado

    Alberto Granado stellt auf der Buchmesse in Havanna ein Werk über Che Guevara vor


    Alberto Granado ist eine lebende Legende. In Lateinamerika und weltweit wurde er als der Mann bekannt, der in den 50er Jahren gemeinsam mit Ernesto Guevara, dem späteren »Che«, auf dem Motorrad durch Südamerika reiste. Dabei wäre sein eigenes Leben selbst so manches Buch wert, denn der wie Che in Argentinien geborene ausgebildete Mediziner und Biochemiker, der seit 1961 in Kuba lebt, hat seinen Beitrag zu dem Gesundheitswesen auf der Insel geleistet, das heute auf dem Kontinent seinesgleichen sucht.


    Wir treffen Alberto Granado in der »Casa de la Amistad«, dem Haus der Freundschaft, in Havannas Villenviertel Vedado. Die Geschichte dieses rosafarbenen Gebäudes ist so richtig nach dem Geschmack der Kubaner. Errichten ließ es im 19. Jahrhundert ein reicher Geschäftsmann aus Europa, der in eine junge Kubanerin verliebt war. Die damalige Kolonialgesellschaft lehnte diese nicht standesgemäße Verbindung ab, woraufhin der Mann seiner Freundin das Haus als Geschenk bauen ließ. Es gehörte zu den teuersten Bauwerken der damaligen Zeit, sogar der Marmor wurde aus Italien importiert.

    Heute ist das Gebäude, das sich in ausgezeichnetem Zustand befindet, ein Gäste- und Versammlungshaus, das unter anderem vom Kubanischen Institut für Völkerfreundschaft (ICAP) genutzt wird, um ausländische Delegationen zu betreuen. Eine Fotoecke zeigt, welche hochrangigen Gäste hier schon begrüßt werden konnten, darunter Nelson Mandela und Hugo Chávez.

    In dem Salon, in dem das Treffen mit Alberto Granado stattfinden soll, liegen Zeitschriften von Kuba-Soligruppen aus aller Welt aus. Auf dem kleinen Tisch vor der Sofaecke steht eine weiße Porzellanvase mit dem Bild Lenins auf einem Teller, der die Flaggen aller Sowjetrepubliken der UdSSR zeigt, ein Geschenk von 1985, zum vierzigsten Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg.

    Alberto Granado betritt den Saal gestützt auf einen Stock, in etwas gebeugter Haltung, aber mit klarem Blick und kräftiger Stimme. Immerhin 88 Jahre ist er jetzt alt, aber er hat noch etwas zu erledigen, das ist zu spüren. Auf der Internationalen Buchmesse will er am heutigen Montag ein gerade frisch erschienenes Buch vorstellen, das aus dem Gespräch einer kubanischen Journalistin mit ihm besteht. Natürlich geht es um seine Erinnerungen an Che, was schon der Buchtitel verrät: »Che vertraut mir«. Aber gibt es nicht längst genug oder sogar zu viele Bücher über den 1967 in Bolivien ermordeten Guerrillero, frage ich. Alberto verneint entschieden: »Che hatte so viele Facetten, von denen viele überhaupt noch nicht behandelt wurden«. Hinzu kämen die unzähligen Lügen, denen widersprochen werden müsse. Zum Beispiel die Legende, daß Che wegen Meinungsverschiedenheiten mit Fidel Castro nach Bolivien gegangen sei. »Das stimmt nicht, und die Geschichte hat bewiesen, daß es keinen Streit zwischen beiden gegeben hat.«

    Natürlich fragen wir nach Venezuela, wo Alberto Granado mehrere Jahre in einem Leprakrankenhaus gearbeitet hatte. Dort wollte ihn Ernesto Guevara eigentlich treffen, nachdem er in Buenos Aires sein Medizinstudium beendet hatte. Doch auf dem Weg nach Caracas traf der spätere Che am Titicacasee in Peru einen linken Emigranten, der ihn überredete, seine Reiseroute zu ändern: »Was willst du in Venezuela, das ist nur etwas für Reiche. Komm mit mir nach Guatemala, dort ereignet sich eine soziale Revolution.« Ernesto folgte, und diese Entscheidung veränderte sein Leben. Er engagierte sich mit ganzer Kraft für das Reformprojekt des guatemaltekischen Präsidenten Arbenz, und als dieser mit Hilfe von US-Söldnern gestürzt wurde, stand Che erstmals auf den Fahndungslisten der CIA. Er flüchtete letztlich nach Mexiko, wo er einer Gruppe kubanischer Emigranten um den jungen Rechtsanwalt Fidel Castro Ruz begegnete. Alberto Granado und Ernesto trafen sich erst 1960 wieder, als Che nach dem Sieg der Kubanischen Revolution Direktor der kubanischen Nationalbank geworden war.  

    Aber wie würde Che denn nun heute die Entwicklungen in Venezuela einschätzen? Alberto antwortet aus seinen eigenen Erfahrungen, denn er habe das Glück gehabt, Hugo Chávez und auch Boliviens Präsidenten Evo Morales getroffen zu haben. Chávez sei heute genau der richtige Mann an der Spitze des revolutionären Prozesses in Venezuela, ist sich Alberto Granado sicher. »Che hat Venezuela sehr geschätzt, er hatte ja sogar überlegt, nicht in Bolivien, sondern in Venezuela in die Guerilla zu gehen. Was ihm heute entgegenkommen würde, ist der Stil von Hugo Chávez, der ja aggressiver ist als der von Fidel. Das wäre was für Che.«

  • · Berichte

    Festung der Bücher

    André Scheer
    1
    Kubas Präsident Raul Castro (r.) und der russische Außenminister Sergej Lawrow (l.) bei der Eröffnung der Buchmesse am Donnerstag in Havanna

    In Havanna wurde die 19. Internationale Buchmesse eröffnet. Russischer Außenminister sieht Kuba und Rußland auf dem Weg zu neuer »strategischer Partnerschaft«

    Für Zuleica Romay ist die 19. Internationale Buchmesse in Havanna ganz sicher nicht das erste literarische Großereignis ihres Lebens. Trotzdem zeigte sich die Chefin des Vorbereitungskomitees der Ausstellung und Direktorin der Kubanischen Kammer des Buches bei der diesjährigen Eröffnung am Donnerstag abend (Ortszeit) erneut beeindruckt von der malerischen Kulisse, in der die Präsentation auch in diesem Jahr veranstaltet wird. »Dies ist eine Revolution, die ebenso Kasernen in Schulen verwandelt hat wie eine koloniale Trutzburg in ein Zentrum der Literatur«, freute sie sich in der historischen Festung San Carlos de la Cabaña, die hoch über Havanna thront und deren historische Kanonenrohre die Einfahrt des Hafens bewachen.

    Keine Handelsware

    Immer wieder schweifte der Blick der Ehrengäste, unter ihnen der kubanische Präsident Raúl Castro und ein halbes Dutzend Kulturminister aus Lateinamerika, ab vom Geschehen auf der Bühne, auf der junge Musiker Werke von Tschaikowski präsentierten, hinüber zum leuchtend roten Sonnenuntergang, der sich in den Wellen widerspiegelte, die an die weltberühmte Uferpromenade, den Malecón, schlugen. Romay erinnerte daran, daß Bücher in Kuba keine Handelsware und keine Werbeträger sind und der Wert eines Buches nicht daran gemessen wird, ob sich möglichst viele Exemplare verkaufen lassen. Bücher seien in Kuba Bestandteil eines Lern- und Bildungsprozesses, der die Autoren ebenso umfasse wie die Leser, so die Leiterin der Buchmesse. Ein Teil dieses »Wunders« sei, daß sogar im Jahr 2008, als drei verheerende Wirbelstürme Kuba heimsuchten und schwere Schäden verursachten, mehr als 1000 Buchtitel veröffentlicht werden konnten.

    Als Vertreter des diesjährigen Ehrengastes Rußland ergriff der Außenminister des Riesenlandes, Sergej Lawrow, das Wort und erinnerte an die langjährigen freundschaftlichen Beziehungen zwischen seinem Land und Kuba. Im Mai sei es 50 Jahre her, daß die kubanische Regierung und die Sowjetunion diplomatische Beziehungen aufgenommen haben. Dieser Jahrestag sei wichtig und werde mit zahlreichen Veranstaltungen begangen, kündigte Lawrow an. Dabei werde das Erinnern an die Beziehungen zwischen beiden Ländern verbunden mit den weltweiten Feierlichkeiten zum 65. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion und ihrer Alliierten gegen Hitlerdeutschland. Rußland danke Kuba dafür, daß es in der UNO den Vorschlag der russischen Regierung unterstützt habe, den 8. bzw. 9. Mai zum internationalen Feiertag zu erklären.

    Rußland und Kuba sind nach Ansicht Lawrows auf dem besten Weg zu einer neuen »strategischen Partnerschaft«. Das hatte der russische Außenminister zu Beginn seines Kuba-Aufenthaltes gesagt. Sein kubanischer Kollege Bruno Rodríguez bstätigte dies und sprach von einem »enormen Potential« der Beziehungen beider Länder.

    Literatur und Revolution

    Bei der Messeeröffnung zeigte sich Lawrow überzeugt davon, daß auch im Zeitalter der elektronischen Medien das Buch seinen Platz in der Gesellschaft behaupten werde. Seine Regierung setze sich dafür ein, daß die Bedeutung der Literatur in der Gesellschaft weiter zunehme, unterstrich er, denn »es ist das Buch, das den Menschen weise macht«. So diene die Literatur dem Aufbau einer Gesellschaft des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit, unterstrich Lawrow.

    Zu Beginn der Veranstaltung hatten außerdem zwei kubanische Intellektuelle das Wort ergriffen, denen die diesjährige Buchmesse gewidmet ist. Die Sozialwissenschaftlerin María del Carmen Barcia erinnerte in ihrer Ansprache daran, daß sie ihren Erfolg nicht reichen Eltern zu verdanken habe. »Mein Vater war ein Handwerker, der aus Galicien eingewandert ist.« Trotzdem habe sie studieren und eine Laufbahn als Wissenschaftlerin einschlagen können. Das sei das Verdienst der kubanischen Revolution, erklärte sie. Auch der Schriftsteller und Essayist Reynaldo González betonte, daß die umfangreiche Literatur, die in den vergangenen Jahrzehnten in Kuba entstanden sei, nicht von der Revolution und dem Aufbau des Sozialismus getrennt werden könne.

    Bildstrecke: Hier klicken

  • · Berichte

    »Blockade beeinträchtigt uns in allen Bereichen«

    Interview: André Scheer

    Ein Jahr Obama-Regierung: Kein grundsätzlicher Wandel in der Politik Washingtons. Ein Gespräch mit Elio Gámez Neyra

    Elio Gámez Neyra lebt in Havanna und ist Vizepräsident des Kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft

    Vor etwas mehr als einem Jahr übernahm Barack Obama das Präsidentenamt in Washington. Hat sich seither die Haltung der USA gegenüber Kuba verändert?

    Das einzige, was sich geändert hat, ist der Diskurs. Obama ist etwas freundlicher, etwas anziehender, gebildeter. Das hat viele Menschen verwirrt, die glauben, daß die Blockade nun abgeschwächt wird oder verschwindet. Aber Obama hat nur eine Reihe kosmetischer Maßnahmen angekündigt, von denen auch nur einige umgesetzt worden sind.

    Doch selbst wenn alle diese Maßnahmen umgesetzt würden, brächte uns das gerade einmal auf den Stand der Beziehungen zwischen Kuba und den USA, der unter der Regierung Clinton und in den ersten Monaten der Bush-Administration geherrscht hat. Es gibt keinen grundsätzlichen Wandel in der Politik. Im vergangenen Jahr hat Obama das Gesetz über den Handel mit dem Feind verlängert, eine der wichtigsten Grundlagen für die Blockade. Das wäre eine Gelegenheit gewesen, Kuba von der Liste verfeindeter Länder zu streichen.

    Außerdem hätte Obama Gelegenheit gehabt, die internationale Forderung nach der Freilassung der fünf kubanischen Genossen aufzunehmen, die in US-Gefängnissen inhaftiert sind, weil sie gegen den Terrorismus antikubanischer Organisationen in Miami gekämpft haben. Die Verantwortlichen ihrer Verbrechen leben frei in den USA, während die fünf Genossen zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Aber Obama hat sich gegenüber diesem Fall taub gestellt und vermieden, sich für die Freiheit dieser Genossen auszusprechen.

    Wie ist in dieser Situation die Lage der fünf Kubaner? Die juristischen Instanzen, um ihre Freilassung zu erreichen, sind ja ausgeschöpft.

    Was nun bleibt, ist der Druck der Solidaritätsbewegung unserer Freunde in aller Welt, um diese Mauer des Schweigens der großen Massenme­dien zu durchbrechen. Diese Bewegung umfaßt derzeit 2111 Organisationen in 148 Ländern, davon arbeiten mehr als 900 Gruppierungen in den meisten Ländern Europas. Die Forderung an Obama ist, daß er von seiner Möglichkeit Gebrauch macht, die Fünf zu begnadigen.

    Welche Auswirkungen hat die Blockade Kubas durch die USA auf die Internationale Buchmesse in Havanna?

    Die Blockade beeinträchtigt unser Leben in allen Bereichen. Durch die Blockade ist es vielen nordamerikanischen Schriftstellern und Verlagen, die hier gerne dabei wären, nicht erlaubt zu kommen. Zugleich wird der Erwerb und Transport von Druckereimaterial erschwert, das wir gern auf dem uns so nahen Markt der USA erwerben würden. Wir müssen aber alles, was für den Druck von Büchern und Zeitschriften benötigt wird, von weit entfernten Orten besorgen und deshalb zwei- oder dreimal so viel bezahlen, wie dies in den USA kosten würde. Das Torricelli-Gesetz bestraft außerdem jedes Schiff, das in Kuba anlegt. Es darf die nächsten sechs Monate keinen US-Hafen anlaufen.

    Das diesjährige Gastland der Messe ist Rußland. Wie haben sich die Beziehungen mit diesem Land entwickelt?

    Die Beziehungen sind von großer Freundschaft und Übereinstimmung in internationalen Fragen bestimmt, die Zusammenarbeit wächst weiter. Hinzu kommen die historischen Beziehungen aus den ersten Jahren der Kubanischen Revolution, als das sowjetische Volk dem kubanischen Volk immer die Hand gereicht hat und es in den meisten Bereichen unserer Wirtschaft, im Bildungswesen und Gesundheitsbereich eine intensive Zusammenarbeit gegeben hat. Deshalb hat Rußland sich die Auszeichnung, diesmal Ehrengast der Buchmesse zu sein, redlich verdient.

  • · Berichte

    Lesen heißt Wachsen

    André Scheer
    Bild 1

    Heute wird die Internationale Buchmesse in Havanna eröffnet. Sechs Millionen Bücher warten auf die Besucher

    Hunderttausende Menschen werden sich ab dem heutigen Donnerstag durch die Gänge der historischen Hafenfestung La Cabaña in Havanna drängen. Mit weit über 100 Ausstellern aus 40 Ländern, die 600 Neuerscheinungen vorstellen wollen, beginnt dort unter dem Motto »Lesen heißt Wachsen« die 19. Internationale Buchmesse, die im vergangenen Jahr fast eine Million Besucher zählte. Die Gesamtzahl der bei der Messe präsentierten und verkauften Bücher wird von den Organisatoren auf nicht weniger als sechs Millionen geschätzt, wie die Direktorin des Kubanischen Instituts des Buches, Zuleyka Romay, sagte. Sie sieht in der Messe vor allem für die zahlreich vertretenen kubanischen Kinder und Jugendlichen eine gute Gelegenheit, die Literatur und Kultur der vertretenen Länder kennenzulernen. Das gilt vor allem für Rußland, das in diesem Jahr als Gastland besonders umfangreich vertreten ist.


    Eröffnet wird die Messe in diesem Jahr vom russischen Außenminister Sergej Lawrow. Begleitet wird er von mehr als 200 Intellektuellen, Künstlern und Schriftstellern seines Landes, darunter so bekannten Repräsentanten der russischen Literatur wie der 1932 geborene Jewgeni Jewtuschenko, aber auch jüngere Autoren wie Marina Lwowna oder Dmitri Bikow. Im Gepäck hat die Delegation mehr als 3500 Bücher, die in einem 450 Quadratmeter großen Pavillon ausgestellt werden. 65 Verlage präsentieren außerdem Neuauflagen klassischer Werke der russischen Literatur, darunter Gedichtbände, Erzählungen und Kinderbücher. Mit einer besonderen Präsentation wird auf der Buchmesse auch an den 150. Geburtstag von Anton Tschechow erinnert, dessen wichtigste Werke in Havanna ebenfalls zum Verkauf stehen.

    Neben den russischen Autoren sind in Havanna auch so prominente Persönlichkeiten vertreten wie die südafrikanische Literaturnobelpreisträgerin Nadine Gordimer oder die 2008 mit dem renommierten spanischen Literaturpreis »Prinz von Asturien« ausgezeichnete kanadische Autorin Margaret Atwood. Aus Brasilien wird der Theologe Frei Betto erwartet, während Venezuela unter anderem mit dem bekannten Essayisten Luis Britto García vertreten ist. Trotz aller Schwierigkeiten durch die Blockade reisen aus den USA der Autor Clifford Conner (»A People’s History of Science«), der Politologe und Historiker Michael Parenti sowie die selbst aus Kuba stammende Sonia Rivera an. Wie Kubas Vizekulturminister Fernando Rojas ankündigte, sollen bereits am zweiten Tag der Messe die kulturellen Beziehungen zwischen der Insel und den USA im Mittelpunkt einer Diskussionsveranstaltung stehen, die der kubanische Künstler- und Schriftstellerverband organisiert. »Das ist nichts spektakuläres, aber die kulturellen Beziehungen zu analysieren ist sicherlich nicht unwichtig«, sagte Rojas bei einer Pressekonferenz im Vorfeld der Messe.

    Auch Frankreich ist nach Jahren der Abwesenheit nach Havanna zurückgekehrt. Mit mehr als 200 Titeln beteiligt sich die Zentralkasse für soziale Aktivitäten der Energie- und Wasserwirtschaft (CCAS) an der Messe. Dies sei ein bescheidener Beitrag für die Kinder und Jugendlichen Kubas, sagte CCAS-Sprecher Sébastien Viscuso der Agentur Prensa Latina. Er hoffe, daß sich die französische Beteiligung in den nächsten Jahren wieder stabilisieren werde.

    Neben dem Gastland Rußland ist die diesjährige Buchmesse zwei Kubanern gewidmet, dem Erzähler Reynaldo González, Träger des kubanischen Literaturpreises 2003, sowie der Historikerin María del Carmen Bacia, die 2003 mit dem Nationalpreis für Sozialwissenschaften ausgezeichnet wurde.

    Bereits vor einer Woche und damit sieben Tage vor der offiziellen Eröffnung haben mehr als 40 Buchhandlungen in der kubanischen Hauptstadt ihre Pforten für die Buchmesse geöffnet. Von 9 Uhr morgens bis 21 Uhr abends sind die Geschäfte für die Literaturinteressierten der Insel geöffnet und präsentieren ein breites Spektrum der kubanischen und internationalen Buchproduktion. So zeigte sich Sonia Fernández stolz darauf, allein in dem von ihr geleiteten Buchladen Ateneo de Línea y 12 im Stadtviertel Vedado mehr als 300 Buchtitel präsentieren zu können, darunter Kinderbücher, Märchen, Romane, politische Werke und natürlich russische Literatur.

    Kuba ist ein Leseland. Mehr als 2200 Buchtitel mit einer Gesamtauflage von fast 24 Millionen Exemplaren wurden allein im Jahr 2008 gedruckt, statistisch gesehen also mehr als zwei für jeden Kubaner, vom Säugling in seinem Bettchen bis zum alten Mann in seinem Schaukelstuhl.
  • · Berichte

    »Wir stellen auch Videos ins Netz«

    Interview: Peter Wolter

    Am Donnerstag beginnt die 19. Internationale Buchmesse in Havanna. Ein Gespräch mit Katja Klüßendorf

    Katja Klüßendorf, verantwortlich für Marketing im Verlag 8. Mai, ist ­zugleich Leiterin des Berliner Büro ­»Buchmesse Havanna«

    Am 11. Februar wird die diesjährige Buchmesse in Havanna eröffnet. Es gibt dort einen großen Stand des Büros Buchmesse, das u.a. von junge Welt, von Gewerkschaften, der Freundschaftsgesellschaft (FG) BRD-Kuba und Cuba Sí getragen wird. Was ist der inhaltliche Schwerpunkt Eurer Präsentation?

    Wir versuchen vor allem, die deutsche Solidaritätsbewegung mit Kuba darzustellen – dazu bringen wir Aufstelltafeln in spanischer Sprache mit, außerdem haben wir Flugblätter und andere Informationsmaterialien vorbereitet. Darüber hinaus sind jetzt schon zahlreiche Gespräche mit Gewerkschaften und dem kubanischen Jugendverband vereinbart. Wir besuchen auch die Redaktionen von Juventud Rebelde und Granma Internacional. Außerdem sind wir zu einem Gespräch mit der Redaktion der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina angemeldet.

    Habt Ihr auch eigene Veranstaltungen für das kubanische Messepublikum im Programm?

    In dieser Hinsicht haben wir mehrere Dinge geplant: Etwa eine Buchpräsentation mit Steffen Niese, einem jW-Autor, sein soeben erschienenes Buch heißt »Die deutsche Kuba-Politik seit 1990«. Die Schriftstellerin Dorle Gelbhaar wird zwei Veranstaltungen für die Deutsch-Studenten der Cátedra Humboldt bestreiten und ihren Krimi »Anders und die Duisburger Mafia« vorstellen.

    Vor zwei Jahren hatte die jW-Besatzung des Messestandes erstmals einen Internet-Blog über ihre Zeit in Havanna eingeführt. Wird das in diesem Jahr fortgesetzt?

    Auf jeden Fall – wer die jW im Internet liest, wird auf dem Laufenden bleiben. Erstmals wollen wir jetzt auch von Havanna aus Videos ins Netz stellen, die sind über youtube zu sehen.

    Das ist ja ein volles Arbeitsprogramm …

    Wir sind ingesamt elf Leute – u.a. je zwei von der FG und von ver.di, vier von der jW. Wir haben auch schon vorgearbeitet: Die jW präsentiert wie in den Vorjahren auch dieses Mal eine spanischsprachige Sonderausgabe – 20000 Exemplare.