Wem nützt es?
Von Ulla JelpkeWar es die angestaute Wut über die vorangegangenen Razzien und die Polizeischikanen während der Hamburger Demo gegen den EU-Asien-Gipfel am Wochenende zuvor? War es eine Reaktion auf das provokante Auftreten vermummter Polizei-Spezialeinheiten?
Wurden die Straßenkämpfe von erlebnisorientierten Autonomen oder Steine schmeißenden Agents Provocateurs ausgelöst? Abschließend wird sich diese Frage nicht klären lassen. Doch wichtig ist nicht, wer den ersten Stein warf. Entscheidend ist, wem die Szenen von einem brennenden Auto, von vermummten Straßenkämpfern und hunderten Verletzten auf beiden Seiten am Ende nützen.
Den kommerziellen Medien spielten die heißersehnten Bilder von den Straßenschlachten ebenso in die Hände wie den staatlichen Repressionsorganen.
Wolfgang Schäuble und die Innenminister der Länder können nun damit rechnen, daß ihre Forderungen nach noch härterem Durchgreifen der Polizei und nach noch mehr Demo-Verboten auf höhere Akzeptanz stoßen.
Was die vorangegangene Kriminalisierung der G-8-Proteste durch Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt, die § 129 a-Razzien und die Medienhetze nicht geschafft haben, ist nun eingetreten: die breite Protestbewegung gegen den G-8-Gipfel wurde an der Militanzfrage gespalten. Attac und andere Veranstalter der Großdemonstration haben sich von den Autonomen distanziert und diese für unerwünscht erklärt.
Für die weiteren Proteste werden die Gewaltszenen demobilisierend wirken. Viele Demonstrationsteilnehmer sind verunsichert. Schon wird diskutiert, ob die geplanten Blockaden und Demonstrationen stattfinden sollen.
Während das solidarische Zusammenstehen einer Demonstration gegen Polizeiübergriffe auch pazifistisch orientierten Demonstranten einsichtig ist, lassen sich Steinwürfe, Molotowcocktails und brennende Autos nur schwer vermitteln. Vor diesen Bildern gingen zudem die Inhalte der Demonstration – egal ob reformistisch oder revolutionär – völlig unter. Die meisten Medien konzentrierten sich auf die Zusammenstöße zwischen der Polizei und einer Minderheit der Demonstranten.
Diejenigen, die mit militanten Aktionen in den kommenden Tagen gegen den Sperrzaun anrennen wollten, haben nun ihr Pulver schon im Vorfeld verschossen. Daß sich die Gewalt des »schwarzen Blocks« bereits Tage vor Beginn des G-8-Gipfels fernab von Heiligendamm entlud, lag allein im Interesse der Polizei. Die Autonomen müssen sich fragen lassen, wie weit sie einer gezielten Provokationsstrategie der Polizei auf den Leim gingen.
Wir sollten aus den Vorfällen lernen, das Potential zivilen Ungehorsams richtig einzusetzen und sinnlose Gewaltausbrüche zu unterbinden. Pazifistisch orientierte Gruppierungen dürfen anderen Strömungen der Linken ihre Taktik nicht aufzwingen – ebemo wenig aber sollte eine Minderheit selbsternannter Straßenkämpfer eine Großdemonstration von 80 000 Menschen nicht in Geiselhaft für ihre Aktionen nehmen. Die Autonomen sind aufgefordert, sich der Kritik und Debatte innerhalb der Linken stellen.
Festgestellt werden muß aber auch: Die größte Gewalt geht von Regierungen jener Staaten aus, die sich in Heiligendamm versammeln. Im Irak, in Afghanistan und vielen anderen Orten fallen der imperialistischen Kriegspolitik Tausende zum Opfer – mit deutscher Beteiligung oder Unterstützung.
Gegen diese globale Gewaltmaschine müssen die Proteste weitergeführt werden – in Rostock-Lage und Heiligendamm, aber auch weltweit durch den Aufbau der Antikriegsbewegung und dem Kampf für eine antikapitalistische Alternative.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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