Gipfelknast »Gesa«: Übergriff auf Anwalt
Von Kristian StemmlerIn Hamburg häufen sich die Übergriffe auf Gegner des G-20-Gipfels, Journalisten und Anwälte. Der Anwaltliche Notdienst (AND) berichtete am Samstag morgen von einer Attacke mehrerer Polizisten gegen einen Anwalt in der Gefangenensammelstelle (Gesa) im Stadtteil Neuland in der Nähe des Harburger Bahnhofs, einem für den Gipfel errichteten Knast mit 400 Haftplätzen. Dem Juristen sei von den Beamten »ins Gesicht gegriffen« worden, man habe ihm den Arm verdreht und ihn »aus der Gesa geschleift«.
Das »Vergehen« des Anwalts: Er hatte energisch der polizeilichen Anordnung widersprochen, dass sein Mandant, ein festgenommener Gipfelgegner, sich nackt ausziehen sollte. Diese Leibesvisitationen werden laut AND immer häufiger angeordnet. Den Anwälten werde von der Polizei unterstellt, sie könnten bei den Beratungsgesprächen, die nicht überwacht werden dürfen, ihren Mandanten »gefährliche Gegenstände« zustecken. Das zeige erneut, »dass die Polizei Anwälte nicht als Garanten eines rechtsstaatlichen Verfahrens sieht, sondern als Gefahr«, erklärte der AND. »Eine Polizei, die gegen Anwälte körperlich vorgeht, die sich für ihre Mandanten einsetzen, hat jeden Bezug zum Rechtsstaat verloren.«
Der G-20-Ermittlungsausschuss berichtete, Anwälte seien fünf Stunden lang nicht zu ihren Mandanten vorgelassen worden. Die Polizei habe die Situation genutzt, um erkennungsdienstliche Behandlungen durchzuführen, ärztliche Untersuchungen zu verschleppen und die Betroffenen in Unwissenheit über die Vorwürfe und das weitere Verfahren zu lassen.
Von einer willkürlichen Festnahme von 73 Aktivisten berichtete die Hamburger Anwältin Gabriele Heinecke am Vormittag auf einer Pressekonferenz im unabhängigen Pressezentrum im Stadion des FC St. Pauli. Am Freitag morgen seien Gipfelgegner spontan aufgebrochen, um vor der Gesa zu demonstrieren. Offenbar lediglich weil sie schwarz gekleidet waren, seien sie schnell gestoppt und in die Gesa verbracht worden. Die Staatsanwaltschaft habe »flächendeckend« Haftbefehle beantragt, mit »den absurdesten Vorträgen«, so Heinecke. Den Festgenommenen sei »schwerer Landfriedensbruch« vorgeworfen worden, doch die Richter hätten keine Haftbefehle erlassen.
Die Staatsanwaltschaft habe am Samstag morgen keine Haftbefehle mehr beantragt, dennoch seien die meisten Betroffenen noch im Gewahrsam in der Gesa, jetzt schon seit mindestens 17 Stunden. »Wir halten das für rechtswidrig«, sagte die Anwältin. Die Polizei hatte im Vorfeld des Gipfels laut Medienberichten zugesichert, dass niemand in der Gesa – die Einzelzellen dort sind etwa drei Quadratmeter groß, die Sammelzellen für fünf Personen neun – länger als zehn Stunden verbringen würde.
Die nur für den Gipfel auf dem Nachbargelände der Gesa eingerichtete Außenstelle Neuland des Amtsgerichts Hamburg bezeichnete Heinecke als »ein Sondergericht, das G-20-Gericht«. Dort herrsche »die Atmosphäre eines in der Wüste befindlichen Kriegsgebiets. Die Justiz trägt blaue Westen, die Verteidigung rosa Westen, die Polizei gelbe Westen.« Die Polizei zeige ein Freund-Feind-Denken, das den zivilen Umgang in den provisorischen Verhandlungssälen erschwere.
Von Repressalien gegen Journalisten berichte auch Renate Angstmann-Koch von der Verdi-Gewerkschaft Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) auf der Pressekonferenz. Im Schanzenviertel sei ein Journalist von der Polizei mit der Waffe bedroht worden. Auch hätten die Beamten mehrfach Journalisten trotz Presseausweises den Zutritt zu Einsatzorten verwehrt, so die Gewerkschafterin.
Angstmann-Koch wisse zudem von sechs Kollegen, denen die Akkreditierung für das offizielle Medienzentrum entzogen oder verweigert worden sei. Eine Begründung sei nicht gegeben worden, ein Vertreter des Bundeskriminalamtes habe lediglich erklärt, von den Journalisten gehe eine Gefahr aus. Die dju habe den von den Maßnahmen Betroffenen versprochen, sie werde das Vorgehen im nachhinein auch gerichtlich überprüfen lassen.
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