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26.05.2017, 17:26:48 / No G20

G-20-Treffen wirft Schatten voraus

Hamburg: Nach Brandstiftung an Autos eines Polizisten machen Politiker Stimmung gegen Linke
Von Kristian Stemmler
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Knapp zehn Monate vor dem G-20-Gipfel in Hamburg spitzen sich die Auseinandersetzungen zwischen Teilen der linken Szene der Stadt und der Polizei offenbar zu. In der Nacht zum Freitag wurden zwei Autos eines ranghohen Polizisten, ein Nissan-Geländewagen und ein VW Polo, auf dessen Privatgrundstück im Vorort Lemsahl-Mellingstedt in Brand gesetzt. Die Polizei geht nach Medienberichten von einer politisch motivierten Tat aus, auf dem Internetportal linksunten.indymedia.org wurde wenige Stunden nach der Tat ein anonymes Bekennerschreiben veröffentlicht.

Offensichtlich ist der Polizeiführer gezielt ausgewählt worden. Es handelt sich um Polizeidirektor Enno Treumann, der als Chef der Region Mitte I vier Kommissariate der Innenstadt und die im April aufgestellte »Taskforce Drogen« leitet, die auf St. Pauli, im Schanzenviertel und in St. Georg schwarze Kleindealer jagt. Kritiker dieses Vorgehens werfen der Taskforce »Racial Profiling« vor, also die Kontrolle und Verfolgung von Personen nach Hautfarbe. Treumann trägt auch die Verantwortung für die Razzia im Wohnprojekt »Plan B« an der Hafenstraße am 18. Juli, die von vielen als Abstrafung für die Solidarität des Projektes mit von der Polizei verfolgten Personen gesehen wird (jW berichtete).

Beim bevorstehenden G-20-Gipfel in Hamburg am 7. und 8. Juli 2017 soll Treumann wichtige »operative« Aufgaben übernehmen. Das Treffen der Regierungschefs der 20 mächtigsten Industrie- und Schwellenländer soll von mindestens 9.000 Polizisten geschützt werden, darunter SEK-Einheiten und die GSG9 des Bundes. Seit Wochen bereitet sich die Polizei ebenso wie die linken G-20-Gegner auf den Gipfel vor, dessen Haupttagungsort ausgerechnet die Messehallen sind – in Nachbarschaft zum Schanzenviertel, traditionelles Zentrum der Szene.

»Die Häuser und Autos der Polizeiführer sind für uns legitime Ziele«, heißt es im authentisch wirkenden Bekennerschreiben auf indymedia, das sich auf den G-20-Gipfel bezieht. Wörtlich heißt es: »Wir unterstützen den Vorschlag der Militanten, die vor einigen Wochen die Reederei Cosco angegriffen haben, die Herrschaftsstrukturen vor dem G-20-Gipfel anzugreifen und in Hamburg und anderswo Tschüs zu sagen zu allem, was uns auf dem Weg zu einer befreiten Gesellschaft im Wege steht.«

Als Begründung für die Tat werden weiter Treumanns Rolle als Leiter der »Taskforce« und die Razzia im »Plan B« genannt. »Die Autos der Familie Treumann wurden durch Feuer vernichtet und die Nachtruhe des Menschenjägers gestört«, so der Text. Treumanns Sondereinheit betreibe eine »Hetzjagd«: »Für People-of-Color wurden die Einsatzgebiete der Taskforce zeitweilig zu No-go-Areas.« Senat und Polizei demonstrierten Stärke im »Krieg gegen die Drogen«. Dass dabei jemand tot auf der Strecke bleiben könne, wie der 21 Jahre alte Jaja Diabi aus Guinea-Bissau, der im Februar wegen Besitzes einer kleinen Menge Marihuana festgenommen wurde und in U-Haft starb, »juckt die Staatsmacht nicht«.

Vertreter von Polizei, der Polizeigewerkschaften und der CDU nutzten die Brandstiftung, um gegen die linke Szene zu hetzen. Mit dem »Angriff auf die Privatsphäre eines Beamten der Polizeiführung« sei eine Grenze überschritten worden, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer gegenüber dem Hamburger Abendblatt. Die Täter hätten »Leib und Leben nicht nur des Polizeibeamten in Gefahr gebracht, sondern auch das seiner ganzen Familie«. Eine kühne Behauptung angesichts der Tatsache, dass lediglich jeweils der Motorraum der Fahrzeuge und ein Teil des Carports in Flammen standen, der Brand schnell gelöscht wurde.

Der Landesvorsitzende der rechtslastigen Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lenders, der für die CDU in der Bürgerschaft sitzt, forderte gegenüber Bild Hamburg: »Die Justiz muss die Kriminellen zur Strecke bringen.« Sein Fraktionskollege Dennis Gladiator erklärte die Brandstiftung im Abendblatt gar zum »Angriff auf unseren Staat und damit auf uns alle«. Mit Blick auf den G- 20-Gipfel und das Treffen der OSZE im Dezember in Hamburg müsse der Senat dringend die »linksextreme Gewalt« bekämpfen.

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