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Aus: 50 Jahre Nelkenrevolution, Beilage der jW vom 17.04.2024
Antiimperialismus

Hilfe und Solidarität

Die Ernte gesichert: Zu den Beziehungen der DDR mit den befreiten ehemaligen Kolonien Portugals im südlichen Afrika
Von Albrecht Ludloff
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Im Kampf für die Zukunft: Lernen an einer militärisch-politischen Schule in Angola im November 1976

Bis etwa 1970 konnte die DDR auf diplomatischem Parkett nur eingeschränkt wirken: Die BRD belegte bis dahin im Rahmen ihres Alleinvertretungsanspruchs Drittstaaten, die die DDR anerkannten, mit Sanktionen. Um die Hallstein-Doktrin zu umgehen, legte die Außenpolitik des sozialistischen deutschen Staates Wert auf breite Aktivität unterhalb diplomatischer Beziehungen.

Dabei spielte die aktive internationale Solidarität mit nationalen Befreiungsbewegungen in Afrika, Lateinamerika und Asien eine ausgeprägte Rolle. 1960 wurde das DDR-Komitee für Solidarität mit den Völkern Afrikas gegründet, und seitdem bestanden auch Beziehungen zur marxistischen MPLA (Movimento Popular de Libertação de Angola), seit 1962 auch zur Frelimo (Frente de Libertação de Moçambique). Der nicht staatlichen DDR-Hilfsorganisation gehörten Vertreter von Parteien und Massenorganisationen an. Sie verwaltete die Spendengelder der Bevölkerung und koordinierte Kauf und Versand von Solidaritätsgütern, Heilfürsorge Verwundeter in medizinischen Einrichtungen, Ausbildung von Facharbeitern und Studenten in der DDR und Unterstützung beim Aufbau eines neuen Bildungswesens.

Das Komitee wuchs mit den Befreiungsbewegungen: Es erweiterte sich 1964 zum Afro-Asiatischen Solidaritätskomitee und schließlich 1973 zum Solidaritätskomitee der DDR. 1978 flossen ihm 200 Millionen Mark an Spenden zu. Im Rahmen des Antirassismusprogramms des Weltkirchenrates arbeiteten auch Christen mit dem Solidaritätskomitee zusammen. Ihr Engagement überwand Verzögerungen bei Druck und Auslieferung von Schulbüchern für die Grundschulen in den befreiten Gebieten Angolas und Mosambiks.

Die Welt sehen

Das antiimperialistische, auf Frieden und Koexistenz ausgerichtete internationale Engagement der DDR, Wirtschaftswachstum und Sozialpolitik, auch sportliche Erfolge und kultureller Austausch bewirkten internationalen Respekt. Die Bundesrepublik beerdigte 1969 die Hallstein-Doktrin. In dieser Dynamik – und besonders nach dem Zusammenbruch des portugiesischen Kolonialsystems 1974/75 – wurden neben der politischen Unterstützung der Exkolonien zunehmend ökonomische Interessen formuliert. Die 1977 berufene »Mittag-Kommission« hatte die Aufgabe, die Beziehungen zu den afrikanischen Staaten unter außenwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu lenken. Ende der 70er Jahre wurden die gesamten Wirtschaftsbeziehungen zu den ehemaligen portugiesischen Kolonien in ­Afrika unter die Kontrolle des Bereiches Kommerzielle Koordinierung (Koko) gestellt.

In Mosambik sollte die Frelimo-Regierung politisch und wirtschaftlich unterstützt werden. DDR-Kumpel standen im Steinkohlenbergbau in Moatize nach einem katastrophalen Unglück ihren mosambikanischen Kollegen zur Seite. Außenwirtschaftler, Militärs und weitere Spezialisten arbeiteten im Lande. Mit den FDJ-Freundschaftsbrigaden, den »Brigadistas«, wurde ein kostengünstiges wirtschaftliches Instrument geschaffen, mit dem gleichzeitig solidarische Hilfe geleistet wurde. An interessierten, meist jungen Menschen, die mehr von der Welt sehen und auch etwas Valuta verdienen wollten, mangelte es nicht. Nach der Ankunft vor Ort wurde die exotische Reiseromantik bei manchem, der in Frieden und sozialer Sicherheit gelebt hatte, durch einen Schock verdrängt: Kriegszerstörungen und das Massenelend in den Exkolonien selbst zu erleben, war etwas anderes, als davon in den Medien zu erfahren.

Die rohstoffarme DDR war an mosambikanischen Rohstoffen wie Gold, Steinkohle, Kupfer, Pegmatit und seltenen Metallen im Warenaustausch gegen Maschinen, Anlagen und Lkws (IFA W50, Robur und Multicar) interessiert. Dabei ging sie von solidem Potential für eine langfristige Zusammenarbeit aus. Das zeigte sich auch in entsprechenden Kreditlinien: So sah eine Vereinbarung der Gemeinsamen Wirtschaftskommission DDR–Mosambik 1983 in ferner Zukunft liegende Zahlungsziele vor.

In Angola waren 1975, trotz Unterstützung durch die Sowjetunion mit Waffen und militärischen Beratern, südafrikanische Truppen weit ins Land vorgedrungen. Sie verstärkten noch den militärischen Druck, dem sich die ­MPLA durch die UNITA (vom Apartheidstaat Südafrika gefördert) und FNLA (von Zaire unterstützt) ausgesetzt sah. Sie wollten verhindern, dass die ­MPLA die erste nachkoloniale Regierung bildet. Am 10. November 1975 – einen Tag vor der Proklamation der Unabhängigkeit Angolas – errangen kubanische Soldaten mit MPLA-Kämpfern bei Quifangondo, wenige Kilometer vor der Hauptstadt Luanda, den entscheidenden militärischen Sieg.

FDJ repariert

Angola und die DDR unterhielten vielfältige Beziehungen im finanziellen Bereich, beim Handel, in Geologie und Landwirtschaft bis hin zum Gesundheitswesen, das von Medizinern unter Leitung von Professor Johannes Gessner aufgebaut wurde. Umgekehrt bot sich der DDR eine Gelegenheit, durch gegenseitig vorteilhaften Warenaustausch die »Kaffeekrise« ohne erheblichen Aufwand an knappen Devisen zu überwinden – von 1970 bis 1978 hatte sich der Weltmarktpreis für Brasilkaffee vervielfacht. Der Viertonner-Lkw W50 eignete sich ideal für die Kaffeeplantagen und half der angolanischen Seite, ihren großen Mangel an Transportmitteln zu mildern, ja die Kaffeernten überhaupt zu sichern.

FDJ-Freundschaftsbrigaden sollten Entkonservierung, Wartung und Reparatur der Fahrzeuge und Landmaschinen aus der DDR sicherstellen. Zu diesem Zweck wurden ab August 1977 vom Beauftragten des Verkehrsministeriums Hubert Vater gemeinsam mit dem angolanischen Partner Instituto Nacional do Café und lokalen Kommissaren der MPLA geeignete Werkstattstandorte erkundet. Statt der anvisierten acht wurden dann in Viana bei Luanda, N’Dalatando, Malanje, Uíge (nördlichste Provinzhauptstadt) und Gabela im südlichen Hochland fünf Werkstätten betrieben. Gleichzeitig traten angolanische Jugendliche die Lehre zum Kfz-Mechaniker, Schlosser und Maurer an. Einige der Besten konnten in der DDR ein Studium absolvieren, um danach selbst Landsleute auszubilden. Die »Brigadistas da RDA« – gekommen aus Kombinaten des DDR-Maschinen- und Fahrzeugbaus – kümmerten sich auch als mobile Teams um die Maschinenparks auf den Plantagen. Kaffeeschälmaschinen waren instandzusetzen. Hin und wieder fehlte auch ein Teil, das die früheren portugiesischen Besitzer vor ihrer Flucht entfernt hatten.

Bereits Mitte der 1960er Jahre war die »Kommission zur Koordinierung der ökonomischen Beziehungen zu den Entwicklungsländern« gegründet und später der schon erwähnten »Mittag-Kommission« zugeordnet worden. Die Aufgabe der späteren »Kommerziellen Koordinierung« bestand darin, jede Gelegenheit zu nutzen, um zusätzliche Deviseneinnahmen zu erwirtschaften. Sie dominierte die Außenwirtschaftsbeziehungen mit Mosambik und Angola.

Kritische Lage

Im Jahr 1981 setzte ein dauerhafter Verfall der Ölpreise ein, der die angolanischen Deviseneinnahmen – bis dahin 400 bis 500 Millionen US-Dollar jährlich durch den Erdölexport – drastisch schmälerte. Zum anderen verstärkten sich nach dem Amtsantritt Ronald Reagans als Präsident der USA (1981–1989) die militärischen Aggressionen des rassistischen Regimes in Südafrika. Es hob seine finanzielle, logistische und militärische Unterstützung für die UNITA auf eine höhere Stufe und befähigte sie, immer größere Gebiete, auch des Kaffeeanbaus, zu beherrschen. Die Versorgungslage der Bevölkerung verschlechterte sich, die Landeswährung Kwanza verlor massiv an Wert. Weil es in den preisstabilen, staatlich gestützten Lojas do Povo (Volksläden) kaum noch etwas zu kaufen gab, fiel es auch immer schwerer, Erntehelfer zu finden. Die Kaffeeproduktion war bis 1988 auf nur noch 10.000 Tonnen gesunken, parallel dazu fiel auch der Ölpreis weiter. Mittlerweile mussten 40 Prozent des Staatshaushaltes für militärische Zwecke ausgegeben werden, um dem kombinierten Druck von FNLA, UNITA und Südafrika standzuhalten.

Die Sicherheitslage der Freundschaftsbrigaden wurde zeitweise kritisch. Mehrfach mussten Brigadisten nach Luanda evakuiert werden, um die Gefahr von Anschlägen, wie in Mosambik geschehen, zu verringern. 1987 waren in Angola noch fünf Freundschaftsbrigaden im Einsatz. Auf dringende Bitte vom staatlichen Kaffeevermarktungsbetrieb Cafeangol war die DDR trotz nachlassender Qualität des gelieferten Kaffees bereit, wesentlich höhere Verrechnungspreise zu zahlen. Trotzdem blieben die Schulden Angolas auf hohem Niveau. Die DDR wiederum stand wegen der Einschränkung der Erdölimporte aus der UdSSR unter wirtschaftlichem Druck. Vor diesem Hintergrund vereinbarte der Gemeinsame Wirtschaftsausschuss DDR–Angola, dass die DDR ab 1986 jährlich 200.000 bis 300.000 Tonnen angolanisches Erdöl erhalten sollte, bei Zahlung durch Verrechnung. Dieses wurde dann vollständig auf dem Weltmarkt verkauft. Die Vorbereitung von »Reisekadern« (FDJ-Brigadisten, Außenhändler und andere Spezialisten) wurde bis 1989 fortgeführt.

Albrecht Ludloff hat ab Mitte der 1970er bis Mitte der 80er Jahre für DDR-Delegationen in Angola gedolmetscht und Auslandspersonal in Intensivsprachkursen ausgebildet.

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