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Aus: Ausgabe vom 13.05.2024, Seite 2 / Inland
Repression gegen Kurden

»Politische Teilhabe wird uns so verwehrt«

Bayern: Kurdischer Dachverband laut Inlandsgeheimdienst von verbotener PKK beeinflusst. Verein spricht von Rassismus. Gespräch mit Dilan Akdoğan
Interview: Gitta Düperthal
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Demonstration gegen das Verbot der kurdischen Arbeiterpartei PKK in Berlin (18.11.2023)

In seinem aktuellen Bericht für das Jahr 2023 behauptet das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz, der kurdische Dachverband Kon-Med, Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland, sei von der in Deutschland mit Verbot belegten Arbeiterpartei Kurdistans, kurz PKK, »beeinflusst und gesteuert«. Der Verband wiederum sieht darin »antikurdischen Rassismus«. Was genau ist damit gemeint?

Wir erleben das als Versuch, Kurdinnen und Kurden in Deutschland, die für demokratische Werte und Grundsätze einstehen, zu dämonisieren; sie unter Generalverdacht als gefährlich hinzustellen, um sie von der Gesellschaft zu isolieren. Seit Bestehen des Betätigungsverbotes der PKK 1993 werden wir mit der Begründung des PKK-Bezugs in der Meinungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Daten legal eingetragener kurdischer Vereine werden an den Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt weitergeleitet: Namen von Vorstandsmitgliedern, ihre Zwecke und Satzungen, welche Inhalte sie vertreten. Diese Strategie des Staates, wenn er das in ihn gesetzte Vertrauen auf diese Weise ausnutzt, bringt Leid über die kurdische Community. Wir nennen es Rassismus.

Im Bericht heißt es: Ein Nachweis, dass die Betätigung des Verbands unmittelbar der PKK zuzurechnen sei, lasse sich meist nur im Einzelfall führen.

Deutsche Sicherheitsbehörden gehen aber dennoch pauschalisierend davon aus, dass Kurdinnen und Kurden, die sich in Deutschland organisieren, dieselbe Meinung vertreten würden. Statt migrantische Selbstorganisierung zu stärken, verhindern sie sie durch ihre Kriminalisierungspraxis im Fall der kurdischen Community.

Der bayerische Verfassungsschutz berichtet, drei unter dem Dach von Kon-Med organisierte Vereine initiierten regelmäßig Versammlungen zur PKK-Thematik oder organisierten Fahrten zu Veranstaltungen, etwa verbunden mit der Forderung, das Verbot gegen die PKK aufzuheben. Warum prangern Sie dieses Verbot an?

Wenn Kurdinnen und Kurden in Deutschland sich für ihr Selbstbestimmungsrecht einsetzen, dürfen daraus keine elementaren Grundrechtseinschnitte für sie erfolgen. Das seit mehr als 30 Jahren bestehende PKK-Verbot hat auch für viele hier Aufgewachsene in ihrer Kindheit Traumata ausgelöst, weil sie Diskriminierungen mitansehen mussten. In den historischen Kontext eingeordnet, ist der Widerstand der kurdischen Bewegung als Resultat jahrzehntelanger türkischer Unterdrückungs- und Verleugnungspolitik zu verstehen.

Und welche Folgen ziehen Berichte wie die des Landesamtes nach sich?

Aufgrund von Vorbehalten bleibt kurdischen Vereinen häufig der Zugang zur politischen Partizipation verwehrt. Versuche, mit Politikerinnen und Politikern, Ministerien und Behörden oder NGOs ins Gespräch zu kommen, werden behindert. Beteiligte an Demonstrationen sehen sich mit Ermittlungsverfahren überzogen, etwa weil sie die Parole »Bijî Serok Apo« (»Es lebe der Vorsitzende«, jW) rufen, die sich auf den seit 1999 in Isolationshaft gefangenen PKK-Gründer Abdullah Öcalan bezieht. Auch gegen mich wurden mehrere solcher Verfahren angestrengt, später aber alle wieder eingestellt. Wohnungen werden durchsucht, weil Kurdinnen und Kurden unterstellt wird, sie seien in einer kriminellen Vereinigung organisiert.

Unter Einfluss solcher Verfassungsschutzberichte berichten Medien über eine kurdische Demonstration etwa, sie sei friedlich verlaufen. Was suggeriert, Gewaltbereitschaft sei zu erwarten gewesen. Dabei haben Kurdinnen und Kurden mit ihrem Einsatz im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat im Nahen Osten verdeutlicht, wofür sie einstehen: für Gleichberechtigung der Geschlechter, Basisdemokratie und ökologische Revolution.

Welche Mittel stehen Betroffenen zur Verfügung, um sich gegen solche Aktivitäten des Verfassungsschutzes zu wehren?

2022 beantragte die PKK, das Verbot in Deutschland aufzuheben. Das Bundesinnenministerium schob die Antwort bis heute auf, weil es Dringlicheres gebe. Das spricht für sich. Sie ist also nicht so gefährlich, wie dargestellt. Das Betätigungsverbot wurde 1993 unter anderem mit »erheblichen Belangen« der BRD begründet, mutmaßlich geopolitische wirtschaftliche Beziehungen zu Recep Tayyip Erdoğans Türkei. Damit Kurdinnen und Kurden hierzulande nicht weiterhin diffamiert werden, müssen wir Solidarität organisieren.

Dilan Akdoğan ist engagiert bei Maf-Dad, Verein für Demokratie und Internationales Recht

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