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Aus: Ausgabe vom 07.05.2024, Seite 8 / Ansichten

Vertreibung oder Tod

Israels Einmarsch in Rafah
Von Knut Mellenthin
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Flugblatt, das aus einem Militärflugzeug der israelischen Armee abgeworfen wurde (Rafah, 6.5.2024)

Das Kriegskabinett und die israelischen Streitkräfte haben am Montag offiziell bekanntgegeben, dass die »Evakuierung« von Teilen der Stadt Rafah im äußersten Süden des Gazastreifens begonnen habe. Damit steht der seit mehreren Monaten angekündigte Großangriff auf Rafah wahrscheinlich kurz bevor.

Das, was man in Israel, im US-Außenministerium und in einem Teil der deutschen Medien als »Evakuierung« beschönigt, wird im größten Teil der Welt als Vertreibung verurteilt. Der Begriff »Evakuierung« täuscht Vorkehrungen der kriegführenden Partei vor, die etwas mit Planung, Schutz und Versorgung der Bevölkerung zu tun haben. Es gibt aber keine Erfahrungen aus den letzten Monaten und keine Tatsachen für die Zukunft, die seitens Israel etwas erwarten lassen, was dieser Verpflichtung, die in der Genfer Konvention rechtsverbindlich vereinbart wurde, entspricht.

Israel betreibt im palästinensischen Gazastreifen nicht »nur« traditionelle Vertreibung, sondern deren schlimmste Form: Die Bevölkerung wird unter Todesdrohungen ständig hin- und hergetrieben. Grundlage ist eine Karte, die das Gebiet, das nur knapp halb so groß ist wie Hamburg, in Hunderte durchnummerierte Parzellen teilt. Der Bevölkerung, die im Laufe dieses Feldzugs zumeist schon mehrmals vertrieben wurde, wird durch abgeworfene Flugblätter, Radio- und Intermeldungen mitgeteilt, welche Abschnitte sie meiden und in welche sie flüchten soll.

Die israelische Propaganda lässt an Zynismus kaum etwas aus. Die angewiesenen Räume, in die sich die aus dem Osten Rafahs »Evakuierten« sofort begeben sollen, werden als »humanitäre Zonen« bezeichnet. Die Streitkräfte kündigen seit Montag an, dass sie mit »extremer Gewaltanwendung« gegen die genau ausgewiesenen Vertreibungsgebiete vorgehen wollen. Jeder, der sich dort weiter aufhalte, setzte sein Leben und das seiner Familie aufs Spiel. Israelische Medien, die diese Anordnungen zitieren, gehen von der Annahme aus, dass zunächst etwa 100.000 Menschen von den »Evakuierungs«-Befehlen betroffen seien.

In Mainstreammedien werden Israels Kriegsziele mit falschen Umschreibungen verniedlicht, um den palästinensischen Widerstand als Hauptstörer auf dem Weg zu einem Waffenstillstand erscheinen zu lassen. Die Wahrheit aber lässt sich leicht im Internet wiederfinden: Jedes Mitglied der Hamas sei bereits ein »toter Mann«, erklärte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu am 11. Oktober vorigen Jahres. Gemeinsam mit seinem Verteidigungsminister Joaw Gallant legte Netanjahu am 18. November vor der Presse nach: Alle Mitglieder der Hamas, auch außerhalb des Gazastreifens, seien zum Tode verurteilt.

Das ist gemeint, wenn Israel davon spricht, den Krieg auf jeden Fall »bis zum totalen Sieg« weiterzuführen. Dieser Spruch bezieht sich nicht ausschließlich auf die Hamas. Es gibt keinen vernünftigen und anständigen Grund, darüber hinwegzuwischen.

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