Razzia bei Hilfsorganisation
Von Thorben Austen, QuetzaltenangoDie Staatsanwaltschaft hat am Donnerstag vergangener Woche in Guatemala Büros der Hilfsorganisation Save the Children durchsucht. Hintergrund sind Vorwürfe wegen Kindesmissbrauchs. Die Organisation wies die Anschuldigungen zurück.
Laut dem Leiter der Sonderstaatsanwaltschaft gegen Straffreiheit (FECI), Rafael Curruchiche, diente die Durchsuchung der »Registrierung und Sicherung von Beweismaterialien«. Der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft zufolge wurde die Anzeige »von einer Person eingereicht, die angab, dass guatemaltekische Kinder in Texas in Notunterkünften der Hilfsorganisation misshandelt worden seien«, berichtete die New York Times (NYT). Curruchiche sagte gegenüber den Medien, »die Behörden hätten die texanische Staatsanwaltschaft um Hilfe bei den Ermittlungen gebeten.« In einem Brief des Generalsekretärs der Staatsanwaltschaft, Ángel Pineda, an den texanischen Generalstaatsanwalt Kenneth Paxton beschuldigte Pineda Save the Children, Kinder »illegal nach Texas geschickt zu haben«.
In einer im Anschluss an die Razzia veröffentlichten Erklärung schrieb Save the Children, man habe »niemals den Transfer von Kindern oder Jugendlichen erleichtert, und werde dies auch weiterhin nicht tun«. Man sei »schockiert über die Durchsuchung unserer Büros. Konkrete Vorwürfe sind uns nicht bekanntgeworden, und es liegen keine Anhaltspunkte vor, die den Vorwurf eines Fehlverhaltens stützen«, hieß es weiter.
Die Staatsanwaltschaft war ein zentraler Akteur bei dem Versuch, im vergangenen Jahr den Amtsantritt des sozialdemokratischen Präsidenten Bernardo Arévalo zu verhindern. Curruchiche wird bereits seit 2022 auf der sogenannten Engel-Liste der USA geführt, auf der diese »undemokratische und korrupte Personen« auflistet, auch Pineda wird von den USA sanktioniert.
Ricardo Barrientos, 2009 bis 2020 stellvertretender Wirtschaftsminister von Guatemala und Experte für Finanzpolitik, schrieb vergangene Sonntag in einem Kommentar für die Zeitschrift Plaza Publica über mögliche Motive der Staatsanwaltschaft: »Um das Jahr 2020 begannen Gruppen von Anhängern und Sympathisanten des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, der im November desselben Jahres seine Wiederwahl anstrebte, und rechtsextreme Gruppen wie Q-Anon oder Pizzagate, den Hashtag #SaveTheChildren zu verwenden und den Namen der genannten internationalen Organisation zu missbrauchen.« Damit seien »Verschwörungstheorien genährt worden«, nach denen Politiker aus dem Umfeld der Demokratischen Partei Kinder unter anderem aus Guatemala »zu pädophilen Zwecken in die USA holten«. Es sei »nicht übertrieben«, anzunehmen, dass diese Theorie im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen wieder aufleben werde.
Präsident Bernardo Arévalo hat gute Kontakte zur Demokratischen Partei, seinen Gegnern um Rafael Curruchiche käme ein Wahlsieg von Trump sehr gelegen.
NYT schrieb: »Guatemala hat eine lange Geschichte der Unterdrückung von Antikorruptions- und Menschenrechtsbemühungen. Alejandro Giammattei, der von 2020 bis 2024 Präsident war, griff während seiner Amtszeit regelmäßig gemeinnützige Organisationen an.« Tatsächlich verabschiedete der Kongress bereits zu Beginn der Amtsperiode von Giammattei das sogenannte Ley de ONG (Gesetz für Nichtregierungsorganisationen), das insbesondere die Finanzierungsmöglichkeiten von NGOs aus dem Ausland stärker kontrollieren soll. Allerdings hatte sich dieses Gesetz bisher vor allem gegen kleinere guatemaltekische Organisationen gerichtet, die sich auch politisch betätigen. Große internationale Hilfsorganisationen wie Save the Children oder Plan International konnten bisher in der Regel unbehelligt von staatlicher Seite arbeiten.
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