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Aus: Ausgabe vom 03.05.2024, Seite 15 / Feminismus
Femizide

Australien geht ersten Schritt

Kampf gegen Femizide: Nach rapidem Anstieg geschlechtsspezifischer Tötungen verkündet Premier Unterstützung für Gewaltbetroffene
Von Ina Sembdner
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»Gerechtigkeit für Frauen«: Forderung auf einer der landesweiten Demonstrationen am Sonntag in Canberra

Die Zahlen gleichen jenen an anderen Orten der Welt, mit dem Unterschied, dass der australische Premierminister Anthony Albanese von einer »nationalen Krise« spricht. Alle vier Tage werde durchschnittlich in Australien eine Frau von ihrem Partner oder einem anderen Mann aus ihrem engeren Umfeld getötet, sagte der Regierungschef am Montag und fügte hinzu: »Männer müssen ihr Verhalten ändern. Wir müssen die ganze Kultur ändern.« In diesem Jahr sind nach Zählung von Counting Dead Women Australia bereits 28 Frauen Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt geworden.

Aus dem am Dienstag veröffentlichten jüngsten Bericht des Australischen Instituts für Kriminologie geht hervor, dass die Zahl der im Haushaltsjahr 2022/2023 von ihren ehemaligen oder derzeitigen Partnern getöteten Frauen um 28 Prozent gestiegen ist. Und auch wenn der Bericht festhält, dass die Wahrscheinlichkeit bei weiblichen Opfern, »dass sie von einem Bekannten oder einem Fremden getötet wurden, deutlich geringer als bei männlichen Opfern« ist, erschütterte eben ein solcher Fall die australische Öffentlichkeit. Mitte April ermordete ein 40jähriger in einem Einkaufszentrum in Sydney sechs Menschen, darunter demnach bewusst fünf Frauen. Sein Vater sagte später, sein Sohn sei frustriert gewesen, weil er keine Freundin hatte.

In Deutschland ist die Situation mit durchschnittlich einem Femizid alle drei Tage noch dramatischer, von Bundeskanzler Olaf Scholz hat man entsprechende Aussagen jedoch nicht vernommen. Der SPD-Politiker lässt lieber Einrichtungen zur Unterstützung gewaltbetroffener Frauen kaputtsparen und schwadroniert über »ein gesellschaftliches Thema, das uns alle angeht und das wir gemeinsam aktiv angehen müssen«, wie er etwa im Juli 2022 auf seinem Facebook-Account schrieb. Getan hat sich seither wenig.

Anders in der südlichen Hemisphäre. Dort werden jetzt umgerechnet mehr als 560 Millionen Euro in das »Leaving Violence«-Programm gesteckt. Im Rahmen dieses Projekts, das Frauen bei der Trennung von einem gewaltausübenden Partner unterstützt, können Betroffene in Zukunft 3.000 Euro Soforthilfe erhalten. Auch soll ein Verbot von Deepfake-Pornografie gesetzlich verankert werden. Damit werde die Verbreitung von pornografischem Material, das mit Hilfe von sogenannter künstlicher Intelligenz erstellt wurde, strafrechtlich geahndet, teilte Albanese am Mittwoch nach einem Sondertreffen mit den Regierungschefs aller australischen Bundesstaaten und Territorien weiter mit. Speziell gehe es um gewalttätige und frauenfeindliche Inhalte.

Betroffenenorganisationen begrüßten die Ankündigung als Schritt in die richtige Richtung. Insbesondere der Fokus auf Onlineinhalte angesichts der zunehmenden Rolle der Technologie bei der Weiterverbreitung geschlechtsspezifischer Gewalt müsse »eine Priorität« bleiben, sagte etwa die Chefin der Organisation Our Watch, Patty Kinnersly, der Nachrichtenagentur AFP. Der Labour-Premier erhielt jedoch auch ordentlichen Druck von der Straße. So gingen erst am Wochenende landesweit Zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen geschlechtsspezifische Gewalt zu demonstrieren – unter anderem in Perth, Melbourne, Brisbane und Canberra. Auch Albanese marschierte mit.

Mit Geld allein ist es jedoch nicht getan. »Informationsaustausch, Justizreformen, Ressourcen für die Dienste vor Ort und die Rechenschaftspflicht der Täter – all das muss angegangen werden«, skizziert die Beauftragte für die Sicherheit von Frauen in New South Wales, Hannah Tonkin, die nächsten Schritte gegenüber SBS. Weiter forderte sie, dass im Rahmen von Gesetzesreformen geprüft werden müsse, »welche Bedingungen an die Anordnung von Gewaltanwendung geknüpft werden und welche Strafen bei Verstößen verhängt werden, insbesondere bei Wiederholungstätern und Hochrisikotätern«.

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