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Aus: Ausgabe vom 03.05.2024, Seite 14 / Medien
Monatsmonitor Medienwirtschaft

Das war’s noch lange nicht

Monatsmonitor Medienwirtschaft: Berlusconi-Konzern MFE hat sich nur teilweise durchgesetzt, die Pro sieben Sat.1 Media SE wird nicht zerschlagen
Von Gert Hautsch
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Ab sofort wird in Mailand entschieden, wie es in Unterföhring läuft

Die klarsten Worte hatte Joseph Oughourlian, Chef des Investmentfonds Amber Capital, gefunden: »Wir glauben, dass dies der einzige Weg ist, Mehrwert für die Aktionäre zu schaffen.« Deshalb werde er auf der Hauptversammlung (HV) am 30. April 2024 für den Antrag zur Zerschlagung der Pro sieben Sat.1 Media SE (P7S1) stimmen. Eine entsprechende Beschlussvorlage hatte der mit knapp 30 Prozent größte Anteilseigner, die Media For Europe NV (MFE) mit Sitz in Amsterdam und Mailand, eingebracht. Er steht unter der Kontrolle der Familie Berlusconi. Vorstand und Aufsichtsrat von P7S1 waren dagegen. Sie haben sich zwar durchgesetzt, der Antrag blieb knapp unter der erforderlichen Mehrheit. Aber in allen anderen Punkten haben sie verloren.

P7S1 hat drei Geschäftsbereiche: Entertainment (TV und Streaming) mit 67 Prozent Umsatzanteil, »Dating und Video« sowie »Commerce und Ventures«. MFE (bzw. damals noch Mediaset) war Ende 2019 mit zunächst zehn Prozent bei P7S1 eingestiegen und hatte schon bald danach verlangt, dass die beiden »Randaktivitäten« verkauft werden. Der damalige Vorstandschef Rainer Beaujean weigerte sich, auf der HV 2022 setzte er sich durch, trotzdem musste er ein halbes Jahr später gehen. Sein Nachfolger Bert Habets stimmte dem Ansinnen zu.

Das fiel ihm nach außen hin nicht schwer, denn eigentlich ist ein Verkauf von Unternehmensteilen derzeit zu lukrativen Preisen kaum möglich, das Börsenumfeld ist ungünstig. Deshalb tat sich in dieser Sache faktisch nichts. Erst vor drei Wochen startete Habets notgedrungen für zwei Onlineportale (Verivox und Flaconi) den Verkaufsprozess.

Zwischenzeitlich hatte MFE seine Forderungen deutlich verschärft. Es ging nicht mehr nur um einen Verkauf, sondern um eine Aufspaltung des Konzerns. Die beiden Segmente sollten aus dem Konzern herausgelöst und in eine eigenständige Holding gesteckt werden, die dann an die Börse geht.

Der Unterschied ist bedeutsam. Bei einem Verkauf geht der Erlös an den Mutterkonzern, der über dessen Verwendung (Investition oder Ausschüttung) entscheidet. Nach einer Aufspaltung wäre die neu geschaffene Holding eigenständig gewesen. Beim Verkauf hätten ihre Eigentümer direkt kassieren können.

MFE-Finanzchef Marco Giordani hat kurz vor der HV erklärt, dass man »derzeit« an einer Übernahme von P7S1 nicht interessiert sei. Das mag sogar stimmen, ist aber ohne Bedeutung. MFE hat Ende 2023 bei den deutschen und österreichischen Kartellbehörden die alleinige Kontrolle über P7S1 angemeldet. Es ist das erklärte Ziel, einen europäischen Unterhaltungskonzern unter eigener Regie zu schaffen.

Nach einer Aufspaltung von P7S1 wären solche Pläne deutlich leichter umzusetzen gewesen, denn ein auf das Entertainmentgeschäft reduzierter Konzern wäre kaum lebensfähig. Deshalb wird man sich in Mailand mit dem Ergebnis der HV 2024 nicht abfinden – sowenig, wie man das 2022 getan hat.

Die früheren P7S1-Geschäftsführungen hatten die Segmente »Dating und Video« und »Commerce und Ventures« aufgebaut und wollten sie behalten. Die Tochterfirmen sollten die Abhängigkeit des Kerngeschäfts von den schwankenden Werbemärkten verringern. Wie sinnvoll das war, zeigen die beiden letzten Geschäftsjahre, in denen wachsende Verluste eingefahren wurden. Der Hauptgrund dafür waren geschrumpfte Erlöse aus Reklamespots im Fernsehen.

Aber solche Argumente ziehen nicht. Für die Finanzinvestoren geht es um kurzfristige Maximalprofite, und dafür ist die Aufspaltung eines Unternehmens ein vielfach erprobtes Instrument. Und strategische Investoren à la MFE sind nur am Kerngeschäft interessiert und wollen ansonsten ebenfalls kassieren. Der längerfristige Bestand des Konzerns P7S1 wäre dabei nur von Nachteil. Die Interessen der Belegschaft spielen keine Rolle (der Betriebsrat ist gegen eine Zerschlagung). Deshalb ist über das Schicksal von P7S1 das letzte Wort noch lange nicht gesprochen.

Das zeigen auch die übrigen Beschlüsse der HV. Der Aufsichtsrat ist, gegen den Widerstand des Managements, mit Kandidaten der Großaktionäre neu besetzt worden. Eine vom Vorstand gewünschte interne Reorganisation fand keine Mehrheit. Statt dessen wurde dem (abgewählten) stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden die Entlastung verweigert. Ab sofort wird in Mailand (und in Prag, wo der zweite Großaktionär PPF sitzt) entschieden, wie es in Unterföhring läuft.

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