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Aus: Ausgabe vom 03.05.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Arbeitszeitverlängerung

41 Stunden pro Woche

Debatte um Arbeitszeitverlängerung in Österreich. Einflussreiche ÖVP-Ministerin macht klar, wo sie steht
Von Dieter Reinisch, Wien
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Machen jetzt schon zu viele Überstunden: Dachdecker in Wien

Arbeitszeitverkürzungen und Viertagewoche sind in aller Munde. In vielen Ländern wurden von Kampagnengruppen in Kooperation mit Unternehmen erfolgreiche Pilotprojekte gestartet. Eine aussagekräftige Studie aus Großbritannien vom vergangenen Jahr zeigte deutlich positive Ergebnisse: mehr Erholung, Freizeit und Gesundheit, mehr Motivation im Beruf und daher höhere Produktivität. Gewerkschaften und linke, sozialdemokratische Politiker verkaufen eine Arbeitszeitverkürzung auf 32 Wochenstunden und die Einführung einer Viertagewoche als ein Erfolgsrezept, von dem Unternehmen, Arbeiter und Angestellte gleichfalls profitieren sollen.

Nicht so in Österreich: Wohlstand entstehe nur durch Leistung, sagte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer, am Montag vor Journalisten. Deshalb fordere die IV eine 41-Stunden-Woche anstelle der von der SPÖ immer wieder eingebrachten Arbeitszeitverkürzung, wie es hieß.

Schützenhilfe gab es einen Tag später von Karoline Edtstadler. Die »Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt« ist eine der einflussreichsten Politikerinnen in der derzeitigen Regierung. Derzeit gilt sie als aussichtsreiche Kandidatin für die Nachfolge des Bundeskanzlers Karl Nehammer an der Spitze der ÖVP. Auf einer Pressekonferenz der IV meinte sie: »Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir mehr als weniger arbeiten.« Mit »linken Träumen« einer Arbeitszeitverkürzung »wird es sich nicht ausgehen«, sagte Edtstadler und richtete sich damit gegen das von der SPÖ am Wochenende vorgestellte Programm, das eine Verkürzung der Arbeitszeit beinhaltet.

Am späten Dienstag nachmittag ruderte sie dann nach Kritik wieder zurück. Aus dem Büro der Ministerin hieß es zur österreichischen Presseagentur APA, dass es nicht um eine Erhöhung der Normarbeitszeit für Vollzeitarbeitskräfte gehe, vielmehr gehe es darum, jene mehr in Arbeit zu bringen, die derzeit keine Vollzeittätigkeit hätten.

Auch darum dürfte es gegangen sein: Österreich befindet sich in einem wichtigen Wahljahr, und die Kanzlerpartei liegt in Umfragen abgeschlagen auf Platz drei. Aber die IV bleibt bei ihrer Position: Die Industrie fordere eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich. IV-Generalsekretär Neumayer sprach auch von einer »Unzahl an Feiertagen« in Österreich, die abgeschafft werden müssten.

Edtstadler versuchte zu beschwichtigen. Im Fernsehsender Puls 24 sagte sie, dass die »hohen Lohnabschlüsse« eine Herausforderung seien. Es gehe darum, die Wirtschaft nicht noch weiter zu belasten. In Wahrheit lagen die Lohnabschlüsse der Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst und Winter 2023/24 über jenen der vorangegangenen Jahre, aber dennoch überwiegend unter der hohen Inflationsrate, die in Österreich lange über dem EU-Schnitt lag.

Ausgerechnet am 1. Mai legte die IV nach. In einer Presseaussendung schrieb sie, »mit dem Schüren von Phantasien einer 32-Stunden-Woche werden wir unseren Wohlstand nicht erhalten können, denn leistungslosen Wohlstand wird es nicht geben«. Darum startete die SPÖ eine Petition gegen die Arbeitszeitverlängerung: »Die ÖVP ist der Meinung, dass die Österreicher zuwenig arbeiten. Die ÖVP schlägt vor, die gesetzliche Arbeitszeit in Österreich auf 41 Stunden in der Woche ohne Lohnausgleich zu erhöhen.« Das sei ein »Frontalangriff auf die Rechte der Arbeitnehmer«, so SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim.

Kritik kam auch aus den Gewerkschaften: »Jährlich werden mehr als 47 Millionen Überstunden nicht bezahlt, die ÖVP und die Industriellenvereinigung wollen diese Machenschaften legalisieren und die Arbeitnehmer auspressen wie eine Zitrone«, so Reinhold Binder, der Vorsitzende der Produktionsgewerkschaft.

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