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Aus: Ausgabe vom 30.04.2024, Seite 11 / Feuilleton
Jazz in der jW-Maigalerie

»Man muss spüren, dass es kein Routinejob ist«

Über Jazz in Berlin, einen Raum für die kleine Form und seine neue Reihe in der jW-Maigalerie. Ein Gespräch mit Hannes Zerbe
Von Peter Merg, Michael Saager
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Hervorragender Tastsinn: Hannes Zerbe in Action

Nach 17 Jahren endete Ihre Konzertreihe »Jazz im Musikinstrumenten-Museum Berlin«, weil der Senat sie nicht mehr finanziell fördern will – wie kam das?

Ja, das ist mir auch ein Rätsel, die Reihe hatte großen Publikumszuspruch, die letzten Jahre meist zwischen 100 und 200 Gäste, zudem war der Eintritt frei und ermöglichte auch finanziell nicht so gut gestellten Personen den Zugang. Ich kann mir die Ablehnung des Förderantrags nur so erklären, dass in der Jury Personen saßen, die die Reihe nicht kannten, obwohl genau aufgelistet war, wer spielen würde – sehr viele Berliner Spitzenmusikanten. Die Konzertreihe wird aber zum Glück nicht enden, nur unter sehr minimierten Bedingungen ab Mai 2024 weiterlaufen, die Musikergagen werden allerdings um Zweidrittel kleiner sein. Dank der GEMA-Stiftung erhalten wir einen Teilbetrag des früheren Antrags.

Noch 2021 erhielten Sie den Jazzpreis Berlin. Fühlt man sich da nicht ein wenig verschaukelt?

Ja, keine Ahnung … ich bin wohl nicht allen Beteiligten bekannt oder werde nicht von allen geschätzt.

Nun geht es also allmonatlich in der Maigalerie weiter. Eine Kooperation von Verlag 8. Mai und Ihnen. Wird es, wie bei »Jazz im Musikinstrumenten-Museum Berlin«, darum gehen, einen Querschnitt durch den aktuellen Berliner Modern Jazz zu präsentieren? Welches Konzept haben Sie?

Es geht hier bevorzugt um die kleine Form, weil das dem Raum meiner Meinung nach am besten entspricht. Da kann alles passieren, was zeitgemäß und kreativ ist.

Wen wollen Sie erreichen? Wir könnten uns vorstellen, dass es nicht ganz leicht ist, unbedarfte, insbesondere jüngere Hörer, zum Jazz zu bringen oder anders, die Ohren für Ungewohntes zu öffnen?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass alle Altersstufen erreichbar sind, wenn die Musik originell und engagiert ist. Man muss spüren, dass es für die Musiker kein Routinejob ist.

Der Verlag 8. Mai, mit dem Sie hier zusammenarbeiten, und die marxistische Tageszeitung junge Welt sind eminent politisch. Was hat (Ihr) Jazz mit Politik zu tun?

Vordergründig vielleicht nicht so viel, aber ich bin ein großer Verehrer von Hanns Eisler und seiner linken politischen Haltung, ich habe oft Elemente und Themen seiner Musik in mein Schaffen einbezogen. In dem Zusammenhang spielt natürlich auch Bertolt Brecht eine wichtige Rolle, denn ich arbeite in meinen Stücken ja auch mit Texten. Des weiteren bin ich auch von Dmitri Schostakowitsch und Béla Bartók bei meinen Arbeiten inspiriert worden.

Ein neuer Raum bedeutet eine andere Akustik. Müssen Sie sich – musikalisch – anpassen?

Musikalisch wohl nicht, aber akustisch schon, es sollen ja vorzugsweise kleine Besetzungen auftreten – möglichst nicht mit zwei Rockschlagzeugern.

Am 7. Mai geht es endlich los. Sie werden gemeinsam mit dem Klarinettisten Jürgen Kupke auftreten und »Balladen um die Mona ­Lisa«, also Ihr Album aus dem Jahr 2021, präsentieren. Möchten Sie die Musik für unsere Leser kurz beschreiben?

Ich beschreibe ungern meine Musik, wir lieben beide Balladen, und ich beziehe mich gern bei meinen Kompositionen auf Motive oder harmonische Zusammenhänge aus der modernen Sinfonik oder Rockmusik. Außerdem lieben wir aufgrund unserer über 30jährigen Zusammenarbeit die freie Improvisation und verstehen uns dabei, denke ich, mittlerweile ziemlich gut. Es werden aber auch neuere Stücke unseres Duos zu hören sein. Die »Mona Lisa« ist ein eher scherzhafter Aufhänger für die CD, es gibt eine Neufassung des Gemäldes von einem Freund, die fanden wir einigermaßen skurril und lustig.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Nachdem ich mit meinem großen Jazzorchester das Projekt »Jimi Hendrix«, in dem wir auch seine Texte in deutscher Nachdichtung einbezogen haben, erfolgreich abgeschlossen habe (das letzte Konzert dieses Projekts wird voraussichtlich am 27. Juni 2024 in der Berliner Wabe aufgeführt, jW), arbeite ich im Moment an einem längeren Werk mit Texten des Dadaisten Kurt Schwitters.

Hannes Zerbe, Jahrgang 1941, ist Jazzmusiker und -komponist. Er war einer der prägenden Köpfe der Jazzszene der DDR, u. a. spielte er im Quartett FEZ und gründete 1979 die Hannes-Zerbe-Blech-Band. Mit der Reihe »Jazz im MIM« fördert er über 17 Jahre auch den musikalischen Nachwuchs. Auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2020 spielte Zerbe seine Adaption des »Floß der Medusa«-Oratoriums von Hans Werner Henze. 2021 erhielt er den Jazzpreis Berlin

Start der Reihe ist am 7. Mai. Ab 18.30 Uhr ist Einlass, um 19.30 Uhr beginnt das Konzert »Balladen um die Mona Lisa« von Hannes Zerbe (Piano) und Jürgen Kupke (Klarinette). Im Anschluss findet ein kleiner Empfang statt.

Der Eintritt beträgt 10 Euro (ermäßigt 8 Euro), Konzertort ist der Ausstellungsraum des Verlages 8. Mai, Torstraße 6, 10119 Berlin, Parterre.

Wir bitten um Anmeldung unter 030/53 63 55-54 oder unter maigalerie@jungewelt.de

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