Orden fürs Morden
Von Karim NatourJährlich legt der US-Präsident einen Blumenkranz auf dem riesigen Soldatenfriedhof in Arlington nieder. Was ursprünglich als Gedenktag an den Waffenstillstand im Ersten Weltkrieg im November 1918 begann, heißt seit 1954 »Veteranentag« und ist allen altgedienten Soldaten der US-Armee gewidmet. Nachdem sie im Namen des Imperiums in fremde Länder eingefallen sind, tragen viele von ihnen psychische und körperliche Schäden davon oder kommen im Leichensack nach »god’s own country« zurück.
Die eigenen Soldaten »umfassend wertschätzen« will künftig auch die Bundesrepublik. Am Donnerstag hat der Bundestag einen Antrag von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP angenommen, der den 15. Juni zum »Nationalen Veteranentag« erklärt. Dafür stimmten nach einer rund 80minüten Debatte alle im Bundestag vertretenen Fraktionen, dagegen votierte die Linke-Gruppe. Gewidmet ist das Gedenken allen ehemaligen Soldaten seit der Gründung der Bundeswehr 1955. Diese ist seit 1959 in mehr als 50 Ländern im Auslandseinsatz gewesen, heißt es stolz in dem Papier, seit den 1990ern auch für »friedenssichernde Einsätze«. Den »Staatsbürgern in Uniform«, die ihr Leben für »die Sicherheit, Freiheit und die Werte unseres Landes« riskierten, gebühre »Respekt, Anerkennung und Würdigung«. Neben dem Image der Bundeswehr soll auch die Nachsorge der mehr als zehn Millionen Veteranen und ihrer Familien verbessert werden.
Die Parlamentsdebatte wurde von gegenseitigem Lob für die »herausragende« überparteiliche Zusammenarbeit dominiert, ebenso von der Verklärung von Kampfeinsätzen zur »Verteidigung von Frieden und Freiheit«. Zahlreiche Abgeordnete, darunter mehrere ehemalige Soldaten, dankten zudem den Armeeverbänden und der Vetranencommunity für ihren jahrelangen Lobbyismus. Nun sei es an der Zeit für einen »Mentalitätswechsel«, erklärte der SPD-Politiker Johannes Arlt zu Beginn der Aussprache. Die im vergangenen Jahr in Düsseldorf ausgetragenen »Invictus Games« (Sportereignis für kriegsversehrte Soldaten) hätten für mehr Verständnis in der Bevölkerung gesorgt, stellte der Unionsabgeordnete Florian Hahn fest. Dieses »Momentum der Games« zu nutzen, sei »folgerichtig«. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nannte den Veteranentag ein »Zeichen der Wertschätzung« für diejenigen, die sich in Afghanistan, Mali oder im Roten Meer für die »Freiheit unseres Landes einsetzen«. Nicht gegen die Ehrung, wohl aber gegen die kriegerische Eskalationspolitik der Bundesregierung in der Ukraine sprach sich Hannes Gnauck (AfD) aus. Er forderte, »die größte Katastrophe des 21. Jahrhunderts zu verhindern« und mit Russland zu verhandeln. Dietmar Bartsch (Linke) kritisierte gar, dass es sich bei dem Gedenktag nur um Symbolpolitik handele. Statt dessen solle man die Altgedienten »lieber auf eine Bootsfahrt einladen« und eine »schöne Party machen«. Die »Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen« (DFG-VK) verurteilte den Veteranentag in einer Mitteilung scharf und warnte vor einem »weiteren Schritt zurück« zu einer »›Blut und Ehre‹-Mentalität um deutsche Soldaten«.
Die angestrebte Glorifizierung des Soldatentums soll laut Bundesregierung die »Bindungen zwischen Bundeswehr und Gesellschaft stärken« – sprich, das Morden auf den Schlachtfeldern normalisieren und die Heimatfront auf Linie bringen. Für die von Pistorius angekündigte Kriegstüchtigkeit und die heraufziehende militärische Großkonfrontation ist das mindestens so wichtig, wie Abermilliarden für Kriegsgerät und Ausrüstung zu verprassen.
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seit Gründung der Bundeswehr 1955.
»Soldaten sind Mörder« hatte einst Kurt Tucholsky in der Glosse »Der bewachte Kriegsschauplatz« in der »Weltbühne« geschrieben. Das »anstößige« Zitat war immer wieder Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen, hatte es aber nie zu einem Verbot gebracht. Durch den kürzlich von »Verteidigungsminister« Pistorius geäußerten Satz, Deutschland müsse »kriegstüchtig« werden, ist die Diskussion wieder aufgeflammt. Deutsche Soldaten sollen »umfassend wertgeschätzt« werden. Seit 1959 waren sie in über 50 Ländern im Einsatz für angeblich »friedenssichernde Einsätze«, real Kampfeinsätze, bei denen es eigene und fremde Verwundungen und Todesfälle gab, in Mali, Afghanistan und neuestens im Roten Meer. Angeblich für »Frieden und Freiheit«, auch für »Freiheit unseres Landes«.
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