4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 24.04.2024, Seite 4 / Inland
Dienste und Politik

Agentenkarussell dreht sich weiter

Druck auf AfD wächst nach Festnahme eines Mitarbeiters des Spitzenkandidaten bei EU-Wahl
Von Kristian Stemmler
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Zum Krisengespräch nach Berlin beordert: Der AfD-Politiker Maximilian Krah am Dienstag während einer Sitzung des EU-Parlaments in Strasbourg

Im Vorfeld der EU-Parlamentswahl am 9. Juni werden in immer dichterer Folge tatsächliche oder vermeintliche Spionagefälle skandalisiert. Nur einen Tag nach der Festnahme von drei Deutschen, die für einen chinesischen Geheimdienst gearbeitet haben sollen, hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof den nächsten »Coup« verkündet: In der Nacht zum Dienstag ließ die Behörde in Dresden den deutschen Staatsbürger Jian G. festnehmen, weil er für die Volksrepublik China spioniert haben soll. G. ist – Zufall oder nicht – Mitarbeiter von Maximilian Krah, EU-Parlamentarier der AfD und Spitzenkandidat der Partei für die Wahl im Juni. Erst kürzlich waren Vorwürfe gegen Krah und seinen Parteifreund Petr Bystron (Listenplatz 2 bei der Europawahl) erhoben worden, er habe Zahlungen aus einem »russlandfreundlichen Netzwerk« bezogen.

Laut Mitteilung des Generalbundesanwalts vom Dienstag wird G. beschuldigt, Mitarbeiter eines chinesischen Geheimdienstes zu sein. Im Januar soll er mehrfach interne Informationen aus dem EU-Parlament weitergereicht haben. Erkenntnisse des deutschen Inlandsgeheimdienstes hätten schließlich zur Festnahme geführt.

Die Nachricht darüber nannte ein AfD-Sprecher »sehr beunruhigend«. Da derzeit keine weiteren Informationen vorlägen, müssten weitere Ermittlungen abgewartet werden. Krah bestritt in einer Mitteilung, von illegalen Aktivitäten seines Mitarbeiters zu wissen.

Die AfD-Führung setzte am Dienstag ein Krisengespräch an. Krah sei auf dem Weg nach Berlin, teilten die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla am Nachmittag mit. Man werde sich spätestens Mittwoch früh mit Krah »zusammensetzen«, sagte Chrupalla. Danach werde man eine Stellungnahme abgeben.

Der Spiegel wiederum wusste einmal mehr pünktlich zur Festnahme schon mehr, als die Mitteilung aus Karlsruhe hergab, und publizierte online einen längeren Beitrag. Bei den von G. weitergereichten Informationen handelte es sich demnach um den Diskussionsprozess zu »sicherheits- und verteidigungspolitischen Auswirkungen des Einflusses Chinas auf die kritische Infrastruktur in der Europäischen Union« sowie um einen Entschließungsantrag zur »anhaltenden Verfolgung der Falun-Gong-Bewegung in China«. Außerdem habe G. »chinesische Oppositionelle« ausgespäht.

Die Ermittler gehen dem Spiegel zufolge davon aus, dass Jian G. schon länger für einen chinesischen Geheimdienst tätig war, mutmaßlich noch bevor er 2019 Mitarbeiter von Krah wurde. G. soll früher für die Dependance eines chinesischen Solarunternehmens in Dresden sowie für eine LED-Handelsfirma gearbeitet haben. Vor einigen Jahren habe er sich in der antikommunistischen oppositionellen Szene bewegt; ein Foto soll ihn bei einem Treffen mit dem »Dalai Lama« zeigen. Ausländische Geheimdienste hätten G. länger im Verdacht, eng an den chinesischen Staatsapparat angebunden zu sein. Krah soll innerhalb der AfD »seit Jahren auf einen chinafreundlichen Kurs« gedrängt haben, wie der Spiegel wusste.

Das chinesische Außenministerium wies die Vorwürfe zurück. Diese würden dazu dienen, »China zu verleumden und zu unterdrücken«, sagte ein Sprecher. Beijing sei sich »der Berichte und des damit verbundenen Rummels bewusst«. Die »Theorie der chinesischen Spionagebedrohung« werde »oft vor und nach hochrangigen Gesprächen zwischen China und Europa wieder aufgewärmt«. Tatsächlich fällt auf, dass die Festnahmen kurz nach der Rückkehr von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) von einem mehrtägigen Besuch in China erfolgten.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) äußerte sich gewohnt alarmistisch und sprach von »äußerst schwerwiegenden Vorwürfen«. Wenn sich bestätige, dass aus dem EU-Parlament heraus für China spioniert worden sei, sei das »ein Angriff von innen auf die europäische Demokratie«. Grünen-Chef Omid Nouripour forderte »Aufklärung über die undurchsichtigen Beziehungen« Krahs »zu Vertretern Russlands und Chinas«. »Sollte sich der Vorwurf bestätigen, trifft er das Herz unserer Demokratie«, erklärte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Er rechne in diesem Fall fest mit »harten Konsequenzen« durch die deutsche Justiz.

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