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Aus: Ausgabe vom 09.04.2024, Seite 10 / Feuilleton
Pop

Enter the Ninja

Die sinister spleenigen Rave-Rapper Die Antwoord in der Berliner Columbiahalle
Von Norman Philippen
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Ninja und Yolandi Visser von Die Antwoord in der Columbiahalle (Berlin, 7. April 2024)

Am Karfreitag nicht von den Toten, aber vor Niederländern auferstand aus langer Bühnenabsenz: Die Antwoord. »We’ve been working in private for so long that some people thought we were dead!« meint dazu Crew-Daddy Ninja. »So we decided to name our new EU/UK tour, Die Antwoord Reanimated!« quietschte Ninjas Ex-, heute professionelle Partnerin ¥o-Landi, die auch noch mit 40 dessen Tochter sein könnte. Von einer Nochexistenz wusste auch ein Berliner Duo nichts, als es im Interweb auf lustig befundene Lebenszeichen der südafrikanischen Meth-, pardon, Zef-Rave-Rapper stieß. Da dies dem diabolischen Duo mal freundlich gesinnt war und die eine auch live mal viel Fun mit Die Antwoord hatte, wurden Tickets für den Deutschland-Gig der fast ausverkauften Tour besorgt.

Besorgniserregendes zu möglichen Gründen für die lange »in private«-Zeit waren erst kurz vor Auftritt des Browsens weiterer Beifang: Zwischen 2019 und 2022 wurde zu womöglich gewalttätigem, sexuell übergriffigem, homophobem Tun vor allem seitens Ninja einiges laut im Netz. Eines der drei Adoptivkinder erhob schwere Anschuldigungen wegen sklavenartiger Aufbringung durch seine Adoptiveltern. Vorwürfe, die freilich Die Antwoord und ihr Management bestreiten, bislang keine Verurteilung zeitigten, lange nicht erneuert wurden, aber in die Columbiahalle mitkamen.

Um dort nach dem DJ-Supportact eine schwitzige Scheißdreiviertelstunde mit im Raum zu stehen und den Showbeginn abzuwarten. Dann wurde es zum-die-Toten-Wecken höllelaut, brustfüllend bassig und epilepsietriggernd blitzlichtig. DJ Hi-Tek besorgte ein infernales Intro, Viecher, ähnlich zerstückelter Riesenraupen, ein bizarres Bühnenbild und Ninja mit dem ersten Song »Chanting Monks / O Fortuna« wohl auch so etwas wie seine Widerlegung gewisser, laut ihm unwahrer Internetinhalte. Nach – war das Video nicht rassistisch? – »Fatty Boom Boom« folgte »Daddy«. Da passte, dass Tochter Sixteen auf die Bühne kam, um Daddy ein Küsschen zu geben, nachdem sie die Kapuze ihres »Der weiße Tod«-Outfits gelüftet hatte. Also doch alles gut!? Luftiger wurden in den von der extrem diversen Crowd frenetisch gefeierten 80 Minuten Show songweise nur die Outfits, so dass Ninja am Ende allein in Deep-Purple-Shorts auf Händen seiner Jünger ritt und mit dem einst ersten Hit »Enter the Ninja« en passant in Erinnerung rappte, was seit 2010 vielleicht (k)ein öffentliches Geheimnis war: »No ­fuckin’ around I’m cutting down / ­Anyone in my path«. Einer soll in der manischen Menge wohl gemischtgefühlig unterhüpft gewirkt haben, 3.500 Leute aber schienen erfolgreich (re) animiert.

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