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Aus: Ausgabe vom 03.04.2024, Seite 10 / Feuilleton

Klebsch, Simmel

Von Jegor Jublimov
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Der Stoff, aus dem die Träume sind: Johannes Mario Simmel (1996)

Als die Peter-Hacks-Gesellschaft kürzlich die Dostojewski-Adaption des DFF, »Das Idol von Mordassow« mit Curt Bois, nach 45 Jahren aus dem Archiv befreite, sah man da auch den langhaarigen Endzwanziger Klaus-Dieter Klebsch und hätte nicht geglaubt, dass er schon 20 Jahre zuvor sein Kinodebüt hatte. Der Potsdamer Junge wurde 1958 von Konrad Petzold als »Uwe« für den Kinderfilm »Natürlich die Nelli!« entdeckt. Doch der sportbegeisterte Junge wurde zunächst ein erfolgreicher Ruderer, studierte Filmproduktion in Babelsberg, bevor er sich zum Schauspielstudium in Berlin-Schöneweide entschloss. Dort lernte er seine Kommilitonin Eva Weißenborn (»Gundermann«, 2019) kennen, die noch heute seine »bessere Hälfte« ist. Im gemeinsamen Engagement am Potsdamer Hans-Otto-Theater trafen sie sich wieder. Klebsch übernahm ab 1974 große Rollen bei Film und Fernsehen, darunter als Karl Marx in »Das Komplott« (1979), als Mörder neben Marion van de Kamp in der Folge »Der Sog« aus der Reihe »Polizeiruf 110« (1984), in der amüsanten Titelrolle des Defa-Lustspiels »Der Doppelgänger« (1985) und als bornierter Geschäftsmann in dem Kindermusical »Kai aus der Kiste« (1988). Seit den siebziger Jahren hat Klebsch immer wieder synchronisiert – und das inzwischen perfektioniert. Trotzdem würde man das ehemalige Filmkind, das am Donnerstag 75 wird, gern mal wieder auf dem Bildschirm sehen.

Daran, dass dem Schriftsteller Johannes Mario Simmel, der am 7. April vor 100 Jahren in Wien zur Welt kam, der Ruf des Kolportageautors anhaftet, ist er selbst nicht ganz unschuldig. In den fünfziger Jahren schrieb er Szenarien für österreichische und bundesdeutsche Trivialfilme, manche davon mit Anspruch, wie »Hotel Adlon« (1955) über die wechselvolle Geschichte des Luxushotels bis in die Nazizeit. Die Erfahrungen der eigenen Familie hatten ihn zum Antifaschisten gemacht, denn Simmels Vater war Jude, der sich nach London retten konnte, während seine Angehörigen den Nazis zum Opfer fielen. Bei allen Meinungsverschiedenheiten erkannte Simmel den Antifaschismus in der DDR an und arbeitete an der Verfilmung seines Romans »Mich wundert, dass ich so fröhlich bin« mit, die der DFF unter dem Titel »Gerichtet bei Nacht« 1960 mit Jürgen Frohriep herausbrachte. Die Verfolgung durch die Nazis war hier ebenso Thema wie in Simmels Stück »Der Schulfreund«, das in München vom Remigranten Robert Siodmak mit Heinz Rühmann umgesetzt wurde.

In dieser Zeit beendete Simmel seine intensive Filmarbeit, um sich Romanen zuzuwenden – die allerdings größtenteils verfilmt wurden. Seine Bestseller griffen auf, was spannend und in aller Munde war: Agentengeschichten, Gewalt gegen Ausländer, Drogenhandel oder Genmanipulation. Kritiker Marcel Reich-Ranicki erkannte an: »Simmel hat wie kaum ein anderer zeitgenössischer Autor einen fabelhaften Blick für Themen, Probleme, Motive.« Bis an sein Lebensende 2009 blieb Simmel, der u. a. mit Stefan Heym befreundet war, ein leidenschaftlicher Pazifist und Aufklärer.

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