Zwischen Sand und Stein
Von Jörg TiedjenEs beginnt mit einem Lied, wie es Kinder singen. Es ist auf arabisch, in Hassania, einem Dialekt, der im Westen der Sahara verbreitet ist. Trommeln setzen ein, Gitarren, die die melancholische Stimmung aufnehmen und forttragen. Aziza Brahims neues Album »Mawja« erscheint leichter als die vorangegangenen. Doch es ist wie mit dem Bild auf dem Cover: Die Sanddünen leuchten malerisch. Erst wenn man genauer hinsieht, bemerkt man, dass der Himmel dunkel wolkenverhangen ist.
Der erste Titel heißt »Zwischen Sand und Stein«. Denn aufgewachsen ist Aziza Brahim in einem seit Jahrzehnten bestehenden Flüchtlingslager in der Nähe des algerischen Tindouf. Heute leben dort mehr als 200.000 Sahrauis, an einem Ort, der für seine Unwirtlichkeit bekannt ist, während ihr Land zu großen Teilen von Marokko besetzt ist. Wie viele Kinder konnte Aziza Brahim zum Studium nach Kuba. Zurückgekehrt widmete sie sich ganz der Musik. Sie ging mit dem Ensemble Luali auf Welttournee, arbeitete mit Gruppen wie Tinariwen aus Mali sowie spanischen Künstlern zusammen und entwickelte einen faszinierenden Musikstil. Heute lebt sie in Barcelona.
»Mawja« heißt »Welle«, auch »Radiowelle«. Der Titelsong beginnt heiter. Es geht um ein Radio, in dem ein Lied »über Gefühle und Hoffnung und die Überzeugung im Herzen« läuft. So wie eben in allgegenwärtiger Unterhaltung. Doch die Senderichtung kehrt sich gewissermaßen um: »Ich singe in der Absicht, dass du zu unserer Melodie tanzt, mit Freiheit im Herzen«, hält der Song dem Schlager aus dem Rundfunk entgegen. Die Lieder sollen die ungehörten Stimmen der Menschen hörbar machen, die für Selbstbestimmung kämpfen, heißt es entsprechend im Booklet.
Aziza Brahim sprach gegenüber der Zeitschrift New Internationalist von Sorgen während der Coronaepidemie, von den politischen Verschiebungen seit ihrem vorherigen Album »Sahari«. Der Krieg in der Westsahara zwischen Marokko und der Polisario-Front wird seit 2020 wieder offen fortgesetzt, Donald Trump erteilte damals der marokkanischen Besetzung den US-Segen. »Die Situation meines Volkes und meine eigene während der Komposition dieser Lieder waren nicht glücklich. Aber die Songs haben mir geholfen, weiterzukommen«, sagte sie in dem Interview.
Vor allem ist das Album eine Hommage an Aziza Brahims verstorbene Großmutter Lkhadra Mint Mabruk. Sie habe als Dichterin, ja geradezu »Frontberichterstatterin« im Krieg eine wichtige Rolle innegehabt. In ihrer Interpretation von »Haiyu«, einem der kraftvollen Höhepunkte des Albums, macht Aziza Brahim den Kämpfern Mut: »Lebt hoch, Revolutionäre! Lasst uns kämpfen gegen Kolonialisten und Imperialisten. Sahrauis: Wir sind Revolutionäre, und die freie Sahara gehört uns.«
Aziza Brahim: »Mawja« (Glitterbeat)
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