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Aus: Ausgabe vom 07.03.2024, Seite 8 / Ansichten

Angetrunkener des Tages: Bodo Ramelow

Von Nico Popp
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Die gucken alle so freundlich: Bodo Ramelow schärft bei der »Grünen Woche« den Blick (Berlin, 21.1.2023)

Es ist, da dürfte es keine zwei Meinungen geben, in ein paar Monaten vorbei: mit der Ramelow-Regentschaft in Thüringen nämlich. Ein halbes Jahr vor der Landtagswahl deuten die Umfragen an, dass die Partei des Ministerpräsidenten, der noch einmal als Spitzenkandidat ins Rennen geht, ihr Ergebnis von 2019 in etwa halbieren wird.

Mit dann womöglich noch 15 Prozent wäre die Linkspartei drittstärkste Kraft im Landtag – falls nicht auch noch Wagenknechts BSW vorbeizieht. Die AfD wird wohl mit weitem Abstand vorn liegen, während sich die CDU als voraussichtlich zweitstärkste Partei Chancen ausrechnen darf, nach zehn Jahren wieder die Staatskanzlei am Erfurter Hirschgarten zu übernehmen. Viel Stoff also für ein paar selbstkritische Gedanken, Betrachtungen, Einsichten, bevor der Vorhang fällt.

Ramelow scheint nicht abgeneigt, setzt aber deutlich andere inhaltliche Prioritäten. Da ist dieser Vorfall von 2021, der dem Staatsmann offenbar bis heute nachgeht: Bei einer Online-Plauderrunde hatte Ramelow damals erzählt, er zocke bei den Coronaberatungen der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin regelmäßig das Smartphonespiel »Candy Crush«. Dann nannte er Merkel noch »Merkelchen«. Aber da war er nicht schuldfähig: Am Dienstag stellte Ramelow in einem Hörsaal der Uni Erfurt klar, er sei damals nach »drei Bier« »ziemlich angetrunken« gewesen.

Am Mittwoch ging es weiter mit der Introspektion: Den Zeitungen der Ippen-Mediengruppe sagte der Twitter/X-Adept, er stehe nach verletzenden Anfeindungen »auf und gehe eine Runde durch die Stadt und gucke Menschen an«. Die lächeln und grüßen ihn alle freundlich, »und dann denke ich, jo, das ist die eigentliche Welt«. Offenbar auch dann, wenn er keine drei Bier intus hat.

Nun weiß man immerhin, wo der quälend pedantische Opportunismus Ramelows herkommt. Die »eigentliche Welt« ist die, in der die Herrschaft freundlich gegrüßt wird. Was macht eigentlich das Schulungswesen der Linkspartei?

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (11. März 2024 um 18:14 Uhr)
    Nach dem Auftritt Ramelows bei »Caren Miosga - Wird der Osten unregierbar?«, im ARD-Fernsehen, frage ich mich, ob Ramelow wirklich nur gelegentlich mal einen über den Durst trinkt und/oder auch jenseits dessen generell unter eingeschränkter Wahrnehmung leidet. Dort brachte er nicht nur, mit empörtem Unterton, sein Unverständnis zum Ausdruck über die Zurückhaltung seiner ostdeutschen Landeskinder gegenüber Waffenlieferungen an die Ukraine. Mit holprigen, inhaltlich unzusammenhängenden Sätzen argumentierte Ramelow auch für eine solche Unterstützung der Ukraine, weil der Osten im Zweiten Weltkrieg durch eine Rote Armee befreit wurde, in der auch ukrainische Soldaten gedient haben. Ramelow muss in diesem Moment (wieder einmal?) ordentlich angetrunken gewesen sein, da er es fertig gebracht hat, die historische Leistung der Roten Armee und die Opfer, die ihre Angehörigen zur Befreiung Deutschlands vom Faschismus erbracht haben, als Argument für eine militärische Unterstützung des gegenwärtigen ukrainischen Staates gegen Russland ins Feld zu führen. In dieser Ukraine werden die Denkmäler der Roten Armee abgerissen und ihr Andenken verunglimpft. Stattdessen wurden und werden dort ausgerechnet die ukrainischen Kollaborateure der deutschen Besatzer von staatswegen als Nationalhelden gefeiert und man errichtet ihnen überall in der Ukraine Denkmäler. Es sind jene ukrainischen Nationalisten, die sowohl als Handlanger der Deutschen wie auch aus eigenem Antrieb zehntausende Russen, Polen und Juden ermordet haben! Dass Ramelow, nach so vielen Jahren im Osten Deutschlands, hier in eklatanter Weise Täter und Opfer vertauscht, um damit für Waffenlieferungen an diese Ukraine zu werben und dabei en passant noch seine ostdeutschen Untertanen und Wähler öffentlich in die Pfanne haut, ist entweder außerordentlich niederträchtig oder zeugt von einem schon krankhaften Verlust an Realitätssinn.

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