Habecks Sinneswandel
Von Wolfgang PomrehnNun soll es doch in den Boden: Am Montag stellte Bundeswirtschaftsminister, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), einen Gesetzentwurf und zwei Strategiepapiere vor, die sich mit der künftigen Abscheidung, Einlagerung und Verwendung von Kohlendioxid (CO2) beschäftigen. Die Papiere werden noch in den Ressorts diskutiert, sind also bisher nicht veröffentlicht. Mit der meist CCS (Carbon Capture and Storage) genannten Technik soll das Treibhausgas, wo möglich, an den Quellen eingefangen, über Pipelines zu geeigneten Orten transportiert und dort im Untergrund gespeichert werden. Bisher ist diese Verpressung verboten, soll aber nach Habecks Vorstellungen künftig zumindest auf See in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) erlaubt sein – Meeresschutzgebiete ausgenommen. AWZ sind die Gewässer jenseits der Zwölf-Meilen-Zone, in denen Deutschland nach internationalem Recht die ausschließlichen Nutzungsrechte hat.
Gegen CCS hatte es in den vergangenen Jahrzehnten in einigen Bundesländern viel Widerstand in der Bevölkerung gegeben. Auch Habeck hatte sich seinerzeit als schleswig-holsteinischer Umweltminister dagegen ausgesprochen. Daran erinnerte am Montag Christian Dirschauer, der umwelt- und klimapolitische Sprecher der SSW-Fraktion im Kieler Landtag. Der Südschleswigsche Wählerverband vertritt die dänische und die friesische Minderheit im nördlichsten Bundesland und hat derzeit vier Abgeordnete im Land- und einen im Bundestag.
Habeck strebe nun »schnelle Lösungen auf Kosten der Umwelt und kommender Generationen« an. Das sei grob fahrlässig. »Speicherung mag harmlos klingen. Tatsächlich reden wir aber über Endlager, deren Dichtigkeit für 10.000 Jahre gewährleistet sein muss. Wer garantiert den Menschen denn, dass es nicht zu fatalen Leckagen kommt?« Denn CO2 muss der Atmosphäre mehrere Jahrtausende entzogen sein, um das Klima zu entlasten. Andere Risiken bestehen in Leckagen während des Transports oder auch im Untergrund. Das verflüssigte CO2 wirkt als Säure, die im Wasser zur Schalentiere schädigenden Versauerung führen würde und im Untergrund in der Lage ist, giftige Metalle aus den Gesteinen zu lösen. Als Gas kann es bei Leckagen ebenfalls gefährlich werden, allerdings in sehr unwahrscheinlichen Fällen, sollte es sich etwa bei Windstille in hohen Konzentrationen in Talmulden oder ähnlichem sammeln können.
Die Politik des Wirtschaftsministers gehe »an den Menschen vorbei« und sorge »für Frustration« erklärte Dirschauer. Gerade in Schleswig-Holstein gebe es großen Widerstand gegen die CCS-Technologie und eine Verpressung unter der Nordsee. »Die Zeiten, in denen der menschengemachte Müll nach dem Motto ›aus den Augen, aus dem Sinn‹ einfach unter den Teppich gekehrt wird, sollten endlich vorbei sein.«
Habeck hatte zur Vorstellung seines Vorhabens auch den Vorstandsvorsitzenden von Heidelberg Materials (ehemals Heidelberg Zement) eingeladen, der sein besonderes Interesse bekundete. Beim Brennen von Zement entstehen größere Mengen von CO2 auf chemischem Wege, die sich also nicht durch erneuerbare Energieträger vermeiden lassen. Weltweit ist Zement – wichtiges Vorprodukt von Beton – für knapp fünf Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Mit diesen »unvermeidlichen Emissionen« hat Habeck am Montag seinen Vorstoß begründet.
Umweltverbände sind ebenso wie der SSW-Abgeordnete äußerst skeptisch gegenüber den Plänen des Ministers. Zu glauben, CCS würde nur für Emissionen der Zementindustrie genutzt, wäre naiv, so Dirschauer. Stattdessen werde die Büchse der Pandora geöffnet. Es gebe viele ungenutzte Möglichkeiten der CO2-Vermeidung und Reduzierung, denen sich aber nicht gewidmet würde. »Genau wie LNG verlängert diese Technologie lediglich die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern.« Alternativen, wie ein schneller Ausstieg aus Kohle und Erdgas oder ein rascher Ausbau öffentlicher Verkehrssysteme blieben am Montag tatsächlich ebenso unerwähnt, wie etwa eine durch alternative Baustoffe oder ein Abrissverbot für Gebäude erreichbare Reduzierung des Betonverbrauchs.
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Leserbrief von René Osselmann aus Magdeburg (28. Februar 2024 um 12:00 Uhr)Die Grünen haben nun endgültig ihre Fassade abgelegt und agieren nur noch nach dem Motto: Wes Brot ich ess, des Lied ich Sing! Den Weg einer Friedens- und Abrüstungspartei haben sie ja schon lange verlassen und sind zu diversen Scharfmachern verkommen, aber das reicht wohl nicht! Jetzt wollen sie auch noch das Meer missbrauchen als Speicher für CO2, um diverse Klimaziele zu erreichen! Soviel Dummheit kann es echt nicht mehr geben, ich habe da eine Idee für Euch: Einer der größten Klima- und Umweltzerstörer ist zum Beispiel der Krieg, sagt nein zu Krieg und Zerstörung … seit ihr dazu noch bereit? Und was Ihr mit den Meeren vorhabt, ist an Dummheit nicht zu übertreffen!
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Leserbrief von Franz (26. Februar 2024 um 21:34 Uhr)Erwähnen sollte man, dass dies den Wirkungsgrad mindert und hohe Kosten verursacht – kurz die Kohleverstromung unrentabel macht.
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