Die Showtänzerin
Von Gisela SonnenburgSie war schwarz, geschmeidig, manchmal nackt, oft heftig eingeölt und meistens bildschön: Josephine Baker hatte das perfekte Lächeln und den optimalen Körper für den Showdance, der vor rund hundert Jahren von Berlin und Paris aus die Welt eroberte. Ob mit femininem Glamour oder im androgynen Matrosenlook: Baker war die Königin der leichten Muse, verkörperte Frohsinn, Exotik, Sexiness. Sie war Miss Revue in Person. Um ihre populäre Kunst geht es in der Ausstellung »Josephine Baker: Icon in Motion«, die ins Souterrain der Neuen Nationalgalerie in Berlin lockt, aber eher nicht. Statt dessen brilliert ihr Image. Werke von bildenden Künstlern, die ihr zu Ehren entstanden, reflektieren es. Außerdem flimmern selten zu sehende Filme auf den Monitoren, die allesamt beweisen, dass Baker vor allem in einer Sache erfolgreich war: in der Selbstvermarktung.
Sie war die erste Schwarze, die quasi uneingeschränkt Erfolge verzeichnete. Nach einer harten Kindheit – als nichteheliche Tochter einer Wäscherin, die im Nebenberuf tanzte – und nach einer kurzen Zwangsehe ging sie mit 16 Jahren zum Theater. Ausgerechnet ein deutscher Poet namens Karl Gustav Vollmoeller vermittelte ihr Jobs und Auftritte. Die prüden USA hatten allerdings zu wenig Sinnlichkeit für sie.
Aber in Europa wurde sie ab Silvester 1925 als »schwarze Venus« gefeiert. Lange Beine, schmale Hüften, flinke Füße, ein tolles Gesicht: Rumba, Charleston, Steptanz, Cabaret! Die Baker war die Showtänzerin schlechthin, gern mit frivolem Röckchen aus künstlichen Bananen auftretend, oberhalb des berühmten, mitunter blitzschnell kreisenden Popos.
Postkarten, Skizzen, Fotografien, Bücher, Zeitschriften und Skulpturen künden von dieser Zeit. Auch ein Manuskript von Harry Graf Kessler ruht hinter Glas: ein Ballettlibretto, das er mit Josephine als Salomé realisieren wollte. Max Reinhardt hegte gar Pläne, aus ihr eine Schauspielerin für seine Inszenierungen zu machen. Doch Baker lehnte ab: Für Revue bezahlte man sie besser.
Politisch war sie eine Persönlichkeit. Als Amerikanerin fühlte sie sich nicht, sondern ganz als Französin mit entsprechender Staatsbürgerschaft. Im Zweiten Weltkrieg war sie mutig in der Résistance aktiv, ab 1944 als Propagandaoffizier der französischen Luftwaffe. Und sie tanzte, als wäre sie alterslos: unverdrossen im Revuestil. Bei jedem politischen Wetter, aber keineswegs für jedwede Herrschaft.
Nach dem Krieg adoptierte sie zwölf Kinder mit verschiedenen Hautfarben: ihre »Regenbogenfamilie«. Ehemänner hatte sie insgesamt fünf, aber geliebt hat sie bisexuell. Sie war eine Ausnahme: Für die einen war sie Kommunistin, für die anderen eine knallharte Geschäftsfrau. Auf jeden Fall landete sie posthum als erste schwarze Frau im Pariser Panthéon. »Ich habe einen Trend gesetzt«, sagte sie fast sachlich über sich selbst.
So viel Flair in neue Kunst zu wandeln, ist nicht einfach. Vieles greift da zu kurz oder bedient Klischees, die die Baker schon selbst bis zur Neige ausreizte. Ein Videoessay von Terri Francis von 2023 versucht, ihre Sicht auf sich selbst einzufangen. Die Abbildung eines Quilts von Faith Ringgold zeigt die Baker dann als Bikinigirl auf buntem Grund. Da ist inhaltlich kein Fortschritt seit 1926 zu verzeichnen, ästhetisch sogar ein Rückschritt. Lustig ist hingegen ihre Figuration als zartes Mobile: aus Draht, mit spiraligen Brüsten und schwebendem Hintern.
Treffsicherer zeigten sich Josephines Zeitgenossen. Im Schlaf wurde sie von ihrem Liebhaber Le Corbusier gezeichnet. Vollmoeller, ihr Entdecker, fotografierte sie in Positur. Und von Dora Kallmus gibt es fabelhafte Abzüge mit Silbergelatine. Darauf wirkt die Baker so stark, wie sie wohl tatsächlich war.
Trotzdem darf man auch sentimental werden. Zwei Exponate gelten Josephines letztem Bühnenauftritt: einer Gala, im April 1975, zu ihrem 50. Bühnenjubiläum in Paris. Sie trug Pink, mit Federn und Pailletten. Wenige Tage später erlag sie einer Hirnblutung. Zu groß war wohl die Anstrengung, noch einmal alles aufzubieten, was sie dem Publikum zu geben hatte.
»Josephine Baker: Icon in Motion«, Neue Nationalgalerie, Berlin, bis 28. April 2024
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.
Ähnliche:
- 26.04.2023
Den ermordeten Künstlern
- 30.10.2021
Malen ist nicht genug
- 13.11.2017
Eine kleine Liebeserklärung
Regio:
Mehr aus: Feuilleton
-
»Pay-Walls widerprechen unserer Idee von Partizipation«
vom 12.02.2024 -
Transzendenter Kater
vom 12.02.2024 -
Der Siebziger-Hengst
vom 12.02.2024 -
Unter der Knute
vom 12.02.2024 -
Karneval
vom 12.02.2024 -
Nachschlag: Gilliam’sches Märchen
vom 12.02.2024 -
Vorschlag
vom 12.02.2024 -
Veranstaltungen
vom 12.02.2024