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Aus: Ausgabe vom 02.02.2024, Seite 5 / Inland
Bafög-Reform

Gezerre ums BAföG

Bildungsministerium blockt höhere Regelleistungen. Haushaltsausschuss pocht auf Zuschlag und droht mit Mittelsperre
Von Ralf Wurzbacher
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BAföG erreicht nur noch gut jeden zehnten Studierenden, obwohl fast jeder vierte arm ist

Die Ampelregierung will eine Novelle des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) ins Werk setzen. Greifen soll diese ab kommendem Wintersemester. Aber was sie bringt, kann das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) nicht absehen. »In Anbetracht der Vielzahl der Wirkungsmechanismen« könnten derzeit »keine validen Schätzungen hinsichtlich des Kreises der Anspruchsberechtigten und der Zahl der BAföG-Empfangenden angestellt werden.« So lautet die Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten von Die Linke, Nicole Gohlke, die junge Welt vorliegt. Als »unprofessionell und Frechheit den Studierenden gegenüber«, empfindet dies die ehemalige Linke-Fraktionssprecherin für Bildung und Wissenschaft. Offenbar habe BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) »Angst, erneut öffentlich einzugestehen, dass auch diese Reform, wenig bis gar keine Verbesserungen zeitigt«, sagte sie am Donnerstag dieser Zeitung.

Der Referentenentwurf für eine 29. BAföG-Novelle soll am kommenden Mittwoch das Bundeskabinett passieren. Was sonst eine Formalie wäre, verspricht diesmal ein wenig Spannung. Wie berichtet hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags eine Aufstockung des ursprünglich um fast 25 Prozent gekürzten Postens um 150 Millionen Euro bewilligt. Ohne das Geld hätte es 2024 gar keine Reform geben können, mit dem Geld wenigstens einen »mittleren Wurf«, wie das Deutsche Studierendenwerk (DSW) erklärte. Das Problem: Stark-Watzinger will in diesem Jahr nur 62 Millionen Euro der Summe abrufen, während der Rest die Folgekosten ihrer Reform in den Jahren 2025 und 2026 decken soll. Damit aber fällt eine dringend nötige Erhöhung der Regelleistungen auf längere Sicht flach. Das Konzept der Ministerin sieht lediglich kleinere Eingriffe mit dem Ziel vor, die Zahl der Begünstigten zu steigern.

Den Haushältern im Parlament reicht das aber nicht. Sie pochen auf eine Zugabe bei den Bedarfssätzen, damit die Förderung den »stark gewachsenen Lebenshaltungskosten« der Betroffenen sowie »ihrer veränderten Lebens- und Studienrealität« gerecht werde. Tatsächlich droht der Ausschuss damit, Gelder zu sperren, sollte das Ministerium diesen Anforderungen nicht genügen. Ohne BAföG-Erhöhung »werden wir keine Mittel freigeben«, bekräftigte die SPD-Angeordnete Wiebke Esdar zu Wochenanfang gegenüber jW. Die Ausfinanzierung für die kommenden Jahre müsse durch »entsprechende Umschichtungen im BMBF-Haushalt« bewerkstelligt werden. So sei auch schon in der Vergangenheit verfahren worden. Sobald der Reformentwurf durchs Kabinett gegangen sei, würden die Fachpolitiker »eng abgestimmt mit denen im Haushaltsausschuss in die Verhandlungen gehen«. Dabei werde die SPD für weitere Erleichterungen für die Hochschüler kämpfen. Weil auch die Grünen Stark-Watzingers Pläne scharf kritisieren, könnte es nächste Woche bei der Regierungssitzung Streit geben, die Vorlage der FDP-Ministerin vielleicht sogar durchfallen.

Für weitere Bewegung beim Thema spricht zudem, dass der Bundestag am Mittwoch den BMBF-Etat für 2024 gebilligt hat und darin die besagten 150 Millionen Euro aufgeführt sind. Dass sich daran bis zur finalen Verabschiedung des Gesamthaushalts an diesem Freitag noch etwas ändert, erscheint praktisch ausgeschlossen. Trotzdem besteht das BMBF darauf, dass ein Zuschlag bei den Leistungen nicht erforderlich sei, da die Bedarfssätze mit der vorangegangenen Reform vom Herbst 2022 noch auf der Höhe der Zeit wären. Derzeit prüft das Bundesverfassungsgericht die Angemessenheit der Bezüge, und die allgemeine Erwartung ist die, dass das Bemessungsverfahren höchstrichterlich gekippt wird. Der BAföG-Grundbedarf liegt bereits 100 Euro unter dem des Bürgergelds. »Eine Unterstützungsleistung, die nur noch gut jeden zehnten Studierenden erreicht, obwohl fast jeder vierte armutsgefährdet ist, braucht deutlich mehr, als die Minireförmchen, die das BMBF hier vorlegt«, bemerkte Linke-Politikern Gohlke. Ihr Rezept: »Wohngeld und BAföG-Sätze müssten endlich an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten angepasst, der Kreis der Anspruchsberechtigten deutlich erweitert und das BAföG endlich zum Vollzuschuss werden.«

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (2. Februar 2024 um 09:57 Uhr)
    Dann müssen die Studierenden eben halt etwas schneller studieren. Wir alle müssen Opfer bringen bei der permanenten und gigantischen Unterstützung unserer faschistischen Freunde in der Ukraine. Schließlich sind unsere »gemeinsamen Werte« immer und überall bedroht und wollen stets tapfer verteidigt sein – nicht nur am Hindukusch!

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