Die Prager Unähnlichkeit
Die Astronomische Uhr am Prager Rathausturm zählt zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten der tschechischen Hauptstadt. Doch nun sorgt die jüngste Restaurierung der Kalenderscheibe der Uhr für eine Kontroverse in der Kunstwelt des Landes. Kritiker bemängeln, dass die vor vier Jahren installierte Kopie dem Original des Malers Josef Manes (1820–1871) alles andere als ähnlich sei. Der Künstler Stanislav Jircik verteidigte nun sein Werk. Er habe versucht, sich in die »Vorstellungen des ursprünglichen Autors« hineinzuversetzen, zugleich aber eine »Neubildung« zu schaffen, sagte der 61jährige am Montag der Zeitung Lidove noviny (Volksblatt).
Unklar ist, warum die Veränderungen jahrelang nicht aufgefallen sind. So trägt eine Bäuerin auf einmal einen kurzen Rock statt eines langen Kleids. Wo vorher nicht mehr als ein schwarzer Fleck war, steht nun ein zotteliger Hund. Und eines der abgebildeten Gesichter erinnert Beobachter an die Schriftstellerin Katerina Tuckova. Die 41jährige amüsierte sich darüber und sprach von einer »superlustigen Aktualisierung«.
Während Kritiker des Restaurierungsprojekts darin eine »kulturelle Schande« oder einen »Heiligendiebstahl« sehen, halten andere die aktuelle Kontroverse nur für ein »Pseudoproblem«. Die Stadtverwaltung will prüfen, ob eine Überarbeitung erforderlich ist. Das Original der Kalenderscheibe wird seit Jahrzehnten im Museum der Stadt Prag aufbewahrt, wo es aus nächster Nähe betrachtet werden kann und nicht der Witterung ausgesetzt ist. (dpa/jW)
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