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Aus: Ausgabe vom 15.04.2017, Seite 11 / Feuilleton
Deak

Das Sein und das Nichts des Osterhasen

Von Dusan Deak

Ostern ist unbestritten das wichtigste Fest der Christenheit, erst danach kommt Weihnachten. Das drittwichtigste ist Christi Himmelfahrt (im Volksmund der Vater- oder Säufertag), der noch vor der Fußballweltmeisterschaft rangiert.

Die Ursprünge des Osterfestes liegen im Ungewissen. Sicher ist nur, dass an diesem Tag vor langer Zeit der Osterhase auferstand und seine Eier im Nachbargarten versteckte. Das macht er seitdem jedes Jahr, immer wieder, ohne erkennbaren Grund.

Bisher hat keiner den Osterhasen beim Eierlegen beobachtet. Böse Zungen behaupten, er klaut sie beim Fuchs oder im Hühnerstall. Sie kommen gegart und bunt bemalt (oder als Schokolade) auf die Welt und schmecken etwas fade, wie vor Wochen gekocht.

Die katholische Kirche nennt das Geschehen um den Osterhasen ein Mysterium. Ein weiteres Mysterium ist die Fähigkeit des Osterhasen, Wasser in Wein zu verwandeln und diesen (wenn die Flasche längere Zeit offen steht) wiederum in Essig.

Verworren und kompliziert sind die Familienverhältnisse des Osterhasen und seine verwandtschaftlichen Verstrickungen. Manche sehen in ihm Gottes eingeborenen Sohn, für andere ist er der Onkel von Nikolaus und Weihnachtsmann. Diese These wird durch Ausgrabungen von Schokofiguren unterstützt, die man zu Ostern und Weihnachten bei Aldi, Budni und Lidl findet.

Seine Verwandtschaft zum Heiligen Geist, der zu Pfingsten kommt, ist unbewiesen. Dieser wird häufig mit Marias Ehemann Joseph verwechselt, der Mutter Gottes, deren Sohn Jesus sein eigener Vater ist. Die Wohngemeinschaft nennt sich Heilige Dreifaltigkeit und dient, mehr oder weniger, als Blaupause für heutige Patchworkfamilien.

Im Unterschied zum Original wird der Heilige Geist in modernen Partnerschaften oft durch eine zweite Mutter oder einen zusätzlichen Vater ersetzt. Ganz selten kommt anstelle des Heiligen Geistes der Birnen- oder Himbeergeist, Grappa oder eine andere Schnapssorte zur Anwendung.

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