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Aus: Ausgabe vom 09.09.2013, Seite 16 / Sport

Olympia

Fackellauf nach ­Fukushima

Japans Premierminister Shinzo Abe weinte spontan. Tokios 60:36-Sieg gegen Istanbul im Wahlfinale um den Austragungsort der Olympischen Spiele im Jahr 2020 soll die nicht enden wollende Fukushima-Krise überwinden helfen und stürzte das IOC in Erklärungsnot. »Ich bin überwältigt. Wir brauchen Träume und Hoffnung, um unseren Wiederaufbau voranzutreiben«, erklärte Abe in Buenos Aires. »Die Freude war größer als bei meinem eigenen Wahlsieg.«

Die Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) verkauften den Zuschlag für Tokio als Entscheidung für Sicherheit, Tradition und Stabilität. In Wahrheit aber haben sie ihr Schicksal und das ihrer Athleten mit einem schwerbeschädigten Atomreaktor verknüpft. Seit der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe am 11. März 2011 reißen die Hiobsbotschaften aus Fukushima nicht ab. In der Vorwoche wurde dort sogar ein Strahlenrekordwert gemessen, der für Menschen ohne Schutzanzug innerhalb von vier Stunden tödlich ist. Nuklearverseuchtes Wasser aus undichten Kühltanks sickert in den Pazifik, weitere Lecks werden befürchtet.

250 Kilometer weiter südlich in Tokio sei das Leben normal und »alles unter Kontrolle«, versicherte Abe, der nach einer 16stündigen Anreise direkt vom G-20-Gipfel aus St. Petersburg seinen Auftrag als Krisenmanager erfüllte. Die Verseuchung in Fukushima beschränke sich auf einen Umkreis von 300 Metern um den Hafen vor der Atomruine. Und diese Fläche sei eingegrenzt. Laut Tokios Gouverneur Naoki Inose werde der olympische Fackellauf durch das betroffene Gebiet führen.


Für die vermeintlich verantwortungsbewußten Olympier schien der Nuklearunfall weniger bedrohlich zu sein als die spanische Wirtschaftskrise und Arbeitslosenquote von 26,3 Prozent, die Madrids dritte Kandidatur belastete. Auch Istanbul, gehandicapt durch die kritische innenpolitische Lage in der Türkei und die Nähe zum Krieg im benachbarten Syrien, war chancenlos. Madrid scheiterte nach einer Stichwahl mit dem Mitstreiter vom Bosporus – beide Bewerber hatten je 26 Stimmen – überraschend in Runde eins. In Tokio wirkte die positive Nachricht um 5.20 Uhr Ortszeit am Sonntag morgen wie ein Mutmacher für die krisenerprobten Bürger ( Foto). Im Vergnügungsviertel Shibuya skandierten Tausende »Nippon! Nippon!« – »Japan, Japan«.

(dpa/jW)

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