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Aus: Ausgabe vom 20.05.2011, Seite 12 / Feuilleton

Aufgesetzt diabolisch

Lars von Trier ist am Donnerstag von der Leitung des Filmfestivals in Cannes »mit sofortiger Wirkung zur unerwünschten Person« erklärt worden. Begründet wurde der Rauswurf mit »untolerierbaren« Äußerungen, die der Däne am Mittwoch auf einer Pressekonferenz zu seinem Wettbewerbsbeitrag »Melancholia« fallen ließ. Trier, der sich auf das Verfilmen depressiver Schönheiten verlegt hat (in »Melancholia« ist es Kirsten Dunst), wurde nach seinen »deutschen Wurzeln« und seinem »Faible für Nazi-Ästhetik« gefragt und nahm das als feindselige Aufforderung, sich für Hitler zu erwärmen. »Ich verstehe vieles an ihm und kann mich sogar ein bißchen in ihn einfühlen«, meinte er mit aufgesetzt diabolischem Lächeln. Das Geraune war so groß, daß er sich genötigt fühlte, die Wogen zu glätten: »Ich bin nicht für den Zweiten Weltkrieg, und ich bin nicht gegen Juden. Ich bin sogar sehr für die Juden. Oder nein, so doll nun auch wieder nicht. Schließlich geht einem Israel wirklich auf die Nerven.« Als das Geraune daraufhin noch anschwoll, fragte er rhetorisch, wie er da wieder ’rauskäme: »Okay, ich bin ein Nazi.« Am Mittwoch abend führte er den Ausfall auf »Provokationen« durch Journalisten zurück: »Ich bin weder ein Antisemit noch ein Rassist noch ein Nazi.« Sein Film bleibt nach dem Eklat offiziell im Rennen um die Goldene Palme, die Trier 2000 für »Dancer in the dark« schon einmal gewann.

(jW)

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