Leserbrief zum Artikel Pflegekräfte: Prämie wegen Coronakrise
vom 08.04.2020:
Krise schamlos ausgenutzt
Eigentlich kann einem nur noch ... werden. Selbst in dieser verrückten Zeit denkt kein Politiker auch nur im Traum darüber nach, für die aktuellen systemrelevanten Berufe wirklich bessere Arbeitsbedingungen und ein besseres Gehalt zu fordern. Da wird ihnen jetzt in Bayern eine Prämie von 500 Euro und in Berlin von 450 Euro (für drei Monate) gezahlt. Nicht als ständige Lohnerhöhung, nein, befristet für drei Monate. Das Leben eines Menschen, der sich täglich infizieren kann und somit für andere Menschen seine Gesundheit und sein Leben aufs Spiel setzt, ist unserem Land/Staat nur befristet 150 Euro im Monat wert. Dass da die Gewerkschaften mitspielen zeigt, wieviel sie heute noch als Interessenvertreter wert sind. Von ihnen wurde gerade mal eine einmalige Coronaprämie von 1.500 Euro ausgehandelt. Die will der Staat in seiner unendlichen Großzügigkeit steuerfrei gewähren. Wahrscheinlich müssen aber Sozialabgaben, Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung draufgezahlt werden. Also noch nicht mal Brutto gleich Netto. Da waren die Bankster dem Staat wesentlich mehr wert. Die mussten ja auch nicht ihr Leben für die Gesellschaft aufs Spiel setzen. Die mussten nur darauf achten, dass sie auch ihre, wirklich unter lebensgefährlichen Bedingungen erarbeiteten, Boni bekommen. Es tut mir für diese Ausdrucksweise leid, aber da kann man nur noch kotzen. Wann wacht dieses Land endlich auf? Da applaudieren Politiker im Bundestag und die Bevölkerung vom Balkon. Das können sich alle sonstwohin schieben. Sie sollten alle aufstehen und bessere Arbeitsbedingungen und ein besseres Gehalt fordern. Aber da kommt nichts! Außer: Für systemrelevante Berufe wird der Personalschlüssel verschlechtert! Und die mögliche Arbeitszeit am Tag und in der Woche wird erhöht. Das fordert der Arbeitgeberverband schon ewig. Jetzt wird die Coronakrise dazu genutzt, es umzusetzen! Wem dienen deutsche Politiker eigentlich? Dem Volk, das sie blöderweise gewählt hat, garantiert nicht. »Denk ich an Deutschland in der Nacht / Dann bin ich um den Schlaf gebracht.«
Veröffentlicht in der jungen Welt am 21.04.2020.