junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Sa. / So., 11. / 12. Mai 2024, Nr. 109
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!

Leserbriefe

Liebe Leserin, lieber Leser!

Bitte beachten Sie, dass Leserbriefe keine redaktionelle Meinungsäußerung darstellen. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zur Veröffentlichung auszuwählen und zu kürzen. Leserbriefe sollten eine Länge von 2000 Zeichen (etwa 390 Wörter) nicht überschreiten. Kürzere Briefe haben größere Chancen, veröffentlicht zu werden. Bitte achten Sie auch darauf, dass sich Leserbriefe mit konkreten Inhalten der Zeitung auseinandersetzen sollten. Ein Hinweis auf den Anlass Ihres Briefes sollte am Anfang vermerkt sein (Schlagzeile und Erscheinungsdatum des betreffenden Artikels bzw. Interviews). Online finden Sie unter jedem Artikel einen Link »Leserbrief schreiben«.

Leserbrief zum Artikel Abstiegsängste vom 01.09.2016:

Unlösbare Antagonismen des Kapitalismus

Es ist schon ärgerlich, wieder und wieder die lächerliche Mär von der Schaffung von Arbeitsplätzen auf Grund der fortschreitenden Automatisierung lesen zu müssen: »Mit der digitalen Technik schafft das Kapital neue Jobs ...« Ärgerlich auch, von »Vernunft, die die Marktwirtschaft regiert« zu lesen, da doch das Chaos der Marktwirtschaft eine Binsenweisheit ist. Weit mehr ärgerlich ist, von »automatischer Anpassung der Produktionsprozesse an die Marktlage durch Informationen« zu lesen oder von »Kapitaleigner(n), die (…) alle möglichen Gebrauchswerte herstellen«. Wie? Die Kapitaleigner stellen her? Und: Gehen die Halden von nicht nutzbarem, fabrikneuem, glänzenden Schrott am Autor vorbei?
Zutiefst idealistisch ist die Beschwörung subjektiven Wollens im Kapitalismus. Richtig und grundlegend ist die »fortschreitende Verringerung des Anteils menschlicher Arbeitskraft«. Schon Marx hatte erkannt, dass der Arbeiter zum bloßen Anhängsel der Maschine wird. Technisierung ist einerseits ein objektives, also zwangsweises und von subjektivem Wollen unabhängiges inneres Entwicklungsgesetz kapitalistischer Produktionsweise. Andererseits erfährt nach Marx die menschliche Arbeitskraft als einzige Wertschöpfungsursache eine ständige Steigerung ihrer Effektivität, genannt »Arbeitsproduktivität«. Zu den Anhängseln der Maschine zählen die leitenden Angestellten genau wie die scheinbar »freiberuflich tätige(n) IT-Fachkräfte«, die nicht unmittelbar am Produktionsmittel stehen – egal, ob sie dies wahrhaben wollen. Und auch Unternehmer sind alles andere als frei in ihrem Wollen. Sie müssen bei Strafe des Untergangs ihres Imperiums infolge des ebenso objektiven Wolfsgesetzes des Kapitalismus über Leichen gehen. Dies sind die Ursachen dafür, dass der Kapitalismus vollständig unfähig ist, nicht benötigten Menschen einen Lebenssinn zu geben. Ebensowenig ist im Kapitalismus der antagonistische Widerspruch zu lösen, denen ein Einkommen zu sichern, von deren Konsum der Kapitalismus selbst abhängt.
Manfred Ebel
Veröffentlicht in der jungen Welt am 02.09.2016.