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Aus: Ausgabe vom 14.08.2007, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft

Streik

Die Bahn hat in den vergangenen Wochen mehrmals versucht, Arbeitsniederlegungen der Lokführer untersagen zu lassen. Wonach richtet sich die Zulässigkeit von Streiks?

Es gibt kein Gesetzbuch, das die Zulässigkeit von Arbeitskämpfen im einzelnen regelt. Das Recht zu streiken ergibt sich für Gewerkschaften aus dem Grundgesetz (GG), und zwar aus Artikel 9 Absatz 3 GG. Dieser garantiert die Koalitionsfreiheit, also das Recht der abhängig Beschäftigten, sich in Verbänden zusammenzuschließen. Die Rechtsprechung hat in einer Vielzahl von Urteilen definiert, wann und in welcher Form ein Streik zulässig ist und wann nicht. Formal gesehen ist vor Beginn eines Streiks ein Arbeitskampfbeschluß der Gewerkschaft notwendig, in dem festgelegt wird, ab wann, in welchem Umfang und wie lange gestreikt werden soll. Dies muß den Gewerkschaftsmitgliedern und dem Gegner bekanntgemacht werden, was auch über die Medien geschehen kann. In der Regel sehen die Gewerkschaften in ihrer Satzung zwar eine Urabstimmung der Mitglieder vor, diese ist aber keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung eines Streiks.

Ob der Streik zulässig ist, hängt von vielen Umständen ab. So gibt es eine Friedenspflicht während der Laufzeit eines Tarifvertrages, die sich aber nur auf die in dem jeweiligen Tarifvertrag enthaltenen Regelungsgegenstände bezieht. Solange beispielsweise ein Lohntarifvertrag ungekündigt besteht, darf nicht für höheren Lohn gestreikt werden. Auch bei Forderungen, die nicht durch einen Tarifvertrag erfüllt werden können (z.B. die Wiedereinstellung gekündigter Beschäftigter), ist ein Arbeitskampf unzulässig. Als zentraler Grundsatz für die Durchführung eines Streiks gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Es bestaht das »Gebot der Fairneß«, d.h. der Arbeitgeber darf durch den Streik nicht in seiner Existenz vernichtet werden. Darüber hinaus müssen die Tarifparteien zunächst versuchen, durch Verhandlungen eine Einigung zu erzielen.

Bei Anträgen auf einstweilige Verfügung zur Untersagung geplanter oder laufender Arbeitskampfmaßnahmen prüft das Gericht im Schnellverfahren, ob der Ausstand rechtmäßig ist. Gelangt es zu der Auffassung, daß dies nicht der Fall ist, kann es der Gewerkschaft weitere Streikmaßnahmen vorläufig untersagen.

Marion Burghardt, Fachanwältin für Arbeits- und Sozialrecht, Berlin

An dieser Stelle informieren Experten der Berliner Anwaltskanzlei »Potsdamer Straße 99« über arbeits- und sozialrechtliche Fragen

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