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Aus: Ausgabe vom 03.06.2025, Seite 5 / Inland
Investorengipfel in Berlin

Stelldichein der Geldsäcke

Investorengipfel in Berlin: Vertreter des internationalen Finanzkapitals bei der »Superreturn«-Messe. Protest formiert sich
Von Max Grigutsch
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Demonstrationen gegen Geldsäcke und Miethaie sind Alltag in Großstädten wie Berlin (1.6.2024)

Während Lohnabhängige für jeden Euro ackern müssen, überlegen mehr als ausreichend bemittelte Investoren, welchen Sektor sie als nächstes kaputtsparen, um ihren Profit zu maximieren. Vom 2. bis 6. Juni kommen internationale Finanzkapitalisten zur »Superreturn International«-Messe ins noble Intercontinental Hotel nach Berlin, um über die lukrativsten Anlagemöglichkeiten für ihre nach eigenen Angaben insgesamt mehr als 50 Billionen US-Dollar zu sinnieren. Doch sie sollen Widerspruch erfahren. Unter dem Motto »Unser Leben, ihr Profit« rufen die NGO »Finanzwende«, die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und der Deutsche Mieterbund zu einer Protestaktion am Dienstag auf. »Finanzinvestoren können in die Schranken gewiesen werden«, sagte Jorim Gerrard (»Finanzwende«) am Montag im Gespräch mit Pressevertretern.

Die jährliche »Superreturn«, seit 1997 in der deutschen Hauptstadt, hält sich für das »höchste Forum für privates Kapital«. In diesem Jahr versammeln sich angeblich mehr als 5.500 hochrangige Entscheidungsträger und mehr als 4.500 Finanzinvestoren aus über 70 Ländern. Der Begriff »Finanzinvestoren« meint keine Einzelpersonen, sondern vor allem sogenannte Private-Equity-Firmen und Vermögensverwalter – Blackrock, Carlyle und Co. – , die sich auf der Konferenz über die bestmögliche Geldauspresserei in verschiedenen Branchen austauschen. Das sei ein »großes Speed-Dating für Finanzinvestoren«, so Gerrard am Montag. Es gehe »ums Deal-Machen« – mit gravierenden Folgen für diejenigen, die in betroffenen Spekulationsobjekten arbeiten, wohnen oder behandelt werden.

Ein solches Spekulationsobjekt ist der Gesundheits- und Pflegesektor. Mit dem Ziel von schneller Rendite kaufen Investoren »alles entlang der Versorgungskette«, wusste Sylvia Bühler aus dem Verdi-Bundesvorstand am Montag. Die Kapitalisten fungieren dabei als »Firmenjäger«, ergänzte Gerrard: kaufen, profitabel umstrukturieren und in kurzer Zeit gewinnbringend abstoßen. Beispiel Alloheim: Die Pflegeheimkette wurde 2017 zuletzt von der schwedischen Firma Nordic Capital akquiriert. Zur Refinanzierung des schuldenfinanzierten Kaufs allein würden zehn Prozent des Umsatzes direkt in die Schuldentilgung fließen. Hinzu kommen die Renditeversprechungen, in der Branche teilweise bis zu 20 Prozent pro Jahr. Das habe Auswirkungen auf die Beschäftigten, sagte Bühler, denn der größte Kostenblock in der Pflege sei nach wie vor die Ware Arbeitskraft. Bei Alloheim betrage die Personalaufwandsquote – die Höhe der Personalkosten im Verhältnis zum Gesamtumsatz – nur 55 Prozent, während sie bei vergleichbaren Einrichtungen teilweise über 70 Prozent umfasse. Konkret bedeutet das gedrückte Löhne, gestrichene Stellen und unterversorgte Patienten und Pflegeheimbewohner. »Die Politik muss gegensteuern«, mahnte Bühler an.

In diesem Sinne will auch der für Dienstag geplante Protest verstanden werden. Schon im vergangenen Jahr habe man mit einem Fokus auf die Wohnungsbranche gegen das Treffen der Charaktermasken des Finanzkapitals mobilisiert. Neben anderen Schwerpunkten ist auch dieser Bereich im aktuellen Jahr wieder Thema. Für Franz Michel vom Deutschen Mieterbund ist Wohnen Daseinsvorsorge. »Demgegenüber stehen die Finanzinvestoren mit ihren Renditezielen«, so Michel. In Deutschland seien etwa eine Million Wohnungen im Besitz börsennotierter Unternehmen, erklärte er. Für Mittwoch ist eine Demo des Bündnisses gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn geplant.

Zum Aufeinandertreffen von Finanzkapital und Berufspolitik kommt es indes eher bei Veranstaltungen am Rande der Konferenz, wie dem für Dienstag angesetzten »Tag der Immobilienwirtschaft« im Friedrichstadtpalast, wo der ehemalige Blackrock-Lobbyist Friedrich Merz geladen ist. Neben Geschäften gibt es auch Populärkultur: War 2023 noch US-Berühmtheit Kim Kardashian als Prominenz vor Ort, soll dieses Jahr die Tennisspielerin Serena Williams auf dem Podium sprechen.

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