Roter Teppich für Al-Scharaa
Von Ina Sembdner
Für den früheren Al-Qaida-Gefolgsmann ist es eine Art Ritterschlag: Am Mittwoch wurde Ahmed Al-Scharaa erstmalig in Europa empfangen – auf Einladung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und mit UN-Ausnahmegenehmigung. Denn: Er steht nach wie vor auf der Sanktionsliste für Terrorismus und damit unter einem Reiseverbot. Vor seinem »Aufstieg« zum obersten Machthaber Syriens führte Al-Scharaa die Al-Qaida-Abspaltung Haiat Tahrir Al-Sham (HTS) an und kontrollierte mit ihr die Region Idlib.
Die Anfang des Jahres ausgesprochene Einladung war eigentlich an die Bedingung geknüpft, nach dem Sturz der Regierung von Baschar Al-Assad eine inklusive Regierung in Damaskus zu bilden und die Sicherheit von Minderheiten in dem Land zu gewährleisten. Auch wenn Al-Scharaa bei der Besetzung des Kabinetts vier der 23 Ministerposten Minderheiten zugestanden hat (Alawiten, Drusen, Christen und Kurden), sind die zentralen Stellen mit HTS-Mitgliedern besetzt. Die vergangenen Wochen und Monate waren zudem von Gewalt gegen Alawiten und Drusen durch HTS-Anhänger geprägt und forderten Hunderte Todesopfer. »Eine riskante Wette« also, die Macron eingegangen ist, urteilte etwa L’Orient.
Aus dem Élysée-Palast hieß es vorab: Macron hoffe, auf dem Weg zu einem »freien, stabilen und souveränen Syrien, das alle Teile der syrischen Gesellschaft respektiert«, zu helfen. Der Beamte aus dem Élysée-Palast, der namentlich nicht genannt werden wollte, erklärte AFP weiter, Frankreich sei sich der »Vergangenheit« bestimmter syrischer Führer bewusst. Aber – so Außenminister Jean-Noël Barrot im Sender RTL – nicht zu verhandeln, käme einem »Ausrollen des roten Teppichs« für den »Islamischen Staat« gleich. Die Times of Israel verwies darauf, dass die ehemalige Kolonialmacht nach Jahren russischer Präsenz nach einer Möglichkeit suche, ihren Einfluss im Land zu vergrößern: So übernahm kürzlich der Logistikriese CMA CGM den Betrieb des Hafens Latakia für die nächsten 30 Jahre.
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