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Aus: Ausgabe vom 10.05.2024, Seite 8 / Ansichten

Friedenskämpfer des Tages: Tomasz Szmydt

Von Reinhard Lauterbach
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Tomasz Szmydt zeigt seinen Personalausweis auf einer Pressekonferenz in Minsk (6.5.2024)

Seit dieser Woche hat Polen ein neues Aufregerthema: Der Warschauer Richter Tomasz Szmydt hat »rübergemacht« auf die falsche Seite der Weltgeschichte. Er hat in Belarus politisches Asyl beantragt. Als Begründung nannte er berufliche Diskriminierung durch die neue Regierung – da spricht einiges dafür, denn Szmydt hat seine Karriere unter der vergangenen PiS-Regierung als Protegé des früheren Justizministers Zbigniew Ziobro gemacht, und da gibt es einiges aufzuarbeiten: unter anderem seine Rolle als Koordinator einer Gruppe von PiS-Karrieristen, die in sozialen Netzwerken über PiS-kritische Richter herzogen und sie mit frei erfundenen Verleumdungen zu diskreditieren suchten. Ebenfalls mit von der Partie: Szmydts damalige Ehefrau Emilia, Nickname: »Kleine Emi«.

Wie es das Schicksal wollte, trennte sie sich irgendwann von Szmydt und stach im Rahmen des Rosenkriegs ihre und ihres Noch-Ehemannes Rolle in dem Verleumdungskartell an die liberalen Medien durch. Das gab ein paar Wochen Krawall, und Szmydt wurde an eine ruhige Stelle versetzt: den Senat des Warschauer Verwaltungsgerichts, der Widersprüche amtlicher Geheimnisträger gegen den Entzug des Zugangs zu diesen bearbeitete.

Natürlich musste Szmydt in Minsk noch ein bisschen mehr erzählen, von dem er glaubte, dass es seine Gastgeber hören wollten: »Die polnische Regierung steht im Sold der USA und hetzt das polnische Volk in einen völlig überflüssigen Krieg gegen Russland und Belarus.« Eine besonders tiefgründige Analyse war das natürlich nicht, aber immerhin sagte es mal jemand. Kommt sonst in Polen selten vor.

In der polnischen Öffentlichkeit spekulieren nun die einen, ob der Mann verrückt geworden sei, die anderen, ob er ein russischer Spion war. So sind unsere Zeiten: Spricht sich jemand für Frieden aus, ist er entweder geistesgestört oder Agent.

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