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Aus: Ausgabe vom 02.09.2013, Seite 12 / Feuilleton

Schalldämpfer (40)

Von Wiglaf Droste
Unser Besuch in der Männergruppe war ein echter Schlag ins Wasser. Der Versuch, die mürbe, ja erloschene Stimmung im Raum lyrisch hochzuziehen, wurde ungnädig aufgenommen. Komische Bemerkungen über Alkohol, beschied man uns, seien verharmlosend, kontraproduktiv und gefährlich. Als ich einwandte, der nun längst kanonisierte Robert Gernhardt habe mit seinem Gedicht »Folgen der Trunksucht« Bahnbrechendes auf dem Gebiet der Suchtprävention geleistet und aus dem Gedächtnis zitierte – »Seht ihn an, den Schreiner: / Trinkt er, wird er kleiner./ Schaut, wie flink und frettchenhaft / er an seinem Brettchen schafft« –, lachte niemand, und die beiden Gruppenleiter schauten doppelt streng aus der trockenen Wäsche.

Die Männergruppe hätte in diesem Fall auch Mannegruppe heißen können, denn beide Vorsitzende hießen mit Vornamen Manne und sprachen einander auch permanent so an. Als der eine seinen fußschlappenzähen Vortrag über eine Reise an die Ostsee beendet hatte, bekam er von seinem Kollegen ein überschwengliches »Danke, Manne!« entboten, woraufhin er »Sehr gern, Manne« und »Du übernimmst dann wohl, Manne« zur Antwort gab, was der andere wiederum mit »Na klar, Manne« quittierte. Jan, Ralle und ich fühlten uns wie in einem »Tim und Struppi«-Comic, in einer Sequenz mit den beiden Chargen Schulze und Schultze.

90 Minuten lang hielten Manne und Manne etwa 60 Männer im Raum fest, die vor ihren bräsigen Geschichten nur deshalb nicht Reißaus nahmen, weil es sich um eine therapeutische Pflichtangelegenheit handelte. »Die sind ja fast so furchtbar wie die NA-ler«, stöhnte Jan. »NA-ler?«, fragte Ralle. »Was ist das wieder?«

»Narcotics Anonymous«, antwortete ich leise, um meine Erinnerung an einen Abend der exquisiten Scheußlichkeiten möglichst klein zu halten.
wird fortgesetzt

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