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Leserbrief zum Artikel Damit es Heimat werde vom 20.10.2015:

Lotte Rayss und die Familie Wolf

Es ist keineswegs so, dass sich Else Wolf in Moskau in der Zeit der stalinistischen Verfolgung um Lotte Rayss gekümmert hat. Die Familie Wolff kümmerte sich lediglich um die Tochter von Friedrich Wolf und Lotte Rayss.
Lotte Rayss war – so Sergej Lochthofen in „Schwarzes Eis" – von der Krupskaja aus dem Hotel Lux nach Engels in der Wolgarepublik „entsorgt“ worden. Dort gerieten sowohl sie als auch ihr Mann Lorenz Lochthofen in die Mühlen der stalinistischen Säuberungen. Während Lochthofen nach Workuta verbannt wurde, kam sie nach Karlag, dem größten Lagerkomplex des Gulag in Karaganda. Über ihr Schicksal dort (und das ihres Sohns) kann man in dem Band „Kinder des Gulag“ von Meinard Stark Näheres erfahren. Weder in der Zeit der stalinistischen Verfolgung noch danach hat sich die Familie Wolf jemals wieder um Lotte Rayss gekümmert. Es gab Versuche alter Freunde, über Friedrich Wolf das Schicksal von Lotte schon 1947/48 zu klären – vergeblich.
Lotte war 1932 Pionierleiterin der Wolf-Söhne bei der Internationalen Arbeiterhilfe in Stuttgart, wo Fritz Brütsch als KJVD-Aktivist ebenfalls eine Gruppe unterhielt. Dass Konrad Wolf damals, als 6- bis 7-jähriger Parolen pinselte, ist rrrrevolutionäre Romantik.
Lotte kam 1954/55 zurück in die DDR (nach 18 Jahren Gulag), heiratete erneut und starb vor wenigen Jahren als verbitterte Frau. Die Familie Wolf und deren Verehrer von der Friedrich-Wolf-Gesellschaft haben sich nie um Lotte gekümmert. Den Tod von Markus Wolf begrüßte sie, war er für sie doch die Verkörperung der Verfolgung. In der DDR musste sie erleben, dass Lilo Hermann (ein "biografisches Poem" von Wolf, vertont von Eisler) verehrt wurde, sie aber - die für viele Abschnitte des Poems das Vorbild ist - in der Vergessenheit entsorgt worden ist.
Eike Andreas Seidel