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Aus: Ausgabe vom 15.08.2014, Seite 3 / Schwerpunkt

Massentötung untersucht

Die Veröffentlichung eines Berichtes der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) über die gewaltsame Auflösung der Protestcamps der Muslimbruderschaft vor einem Jahr durch das Militär sorgt in Ägypten derzeit für Zündstoff. Am Montag verweigerten Ägyptens Behörden HRW-Geschäftsführer Kenneth Roth und der HRW-Direktorin für die Region Nahost, Sarah Leah Whitson, die Einreise am Flughafen in Kairo. Beide sollten den Bericht am Dienstag in Kairo offiziell vorstellen. Dies sei das erste Mal, daß Mitarbeitern der Organisation die Einreise nach Ägypten verwehrt würde, heißt es in einer Stellungnahme von HRW. Der Bericht »Alles nach Plan: Das Rabaa-Massaker und Massentötungen von Demonstranten in Ägypten« spricht von mindestens 817 Getöteten während der Auflösung der beiden Protestlager an der Rabaa-Al-­Adawija-Moschee in Nasr City und am Nahda-Platz an der Universität von Kairo in Giza am 14. August 2013, geht jedoch von weit höheren Zahlen aus. Ägyptens Regierung spricht von 648 Getöteten, darunter 114 Polizisten. Whitson widerspricht diesen Zahlen und geht von acht getöteten Polizeibeamten aus.

HRW wirft Ägyptens Sicherheitsapparat schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen vor. Die Brutalität der Sicherheitskräfte bei der Auflösung der Protestlager der Muslimbrüder sei systematisch gewesen und könne daher »sehr wahrscheinlich« als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet werden. Ägyptens Regierung wies die Vorwürfe kategorisch zurück und nannte den HRW-Bericht »unausgewogen und befangen«. HRW ignoriere die landesweiten Attacken von Anhängern der Muslimbrüder im Juli und August 2013 auf Polizeistationen, andere staatliche Einrichtungen und Kirchen. In einer Stellungnahme bescheinigt Ägyptens Regierung HRW einen Mangel an Professionalität und betont ferner, die Organisation habe keinerlei behördliche Erlaubnis, operativ im Land tätig zu sein. Die Behinderung der Arbeit von HRW in Ägypten durch die Regierung und die Behörden sei nie derart ausgeprägt gewesen, hieß es bei der US-Organisation.


(spn)

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