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13.10.2021 16:05 Uhr

Freie Trümmer für freie Grenzen

Das Jazzorchester Prokopätz hustet laut – jetzt auch auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz
Von Diethmar Kosletzky

Eine Kontrabaßtuba reicht, um ein Rudel Omas fahrlässig körperzuverletzen. Blaskapellen brauchen keine elektrische Verstärkung, sie genügen sich selbst. Der Blechblasblues ist eine gar erschröckliche Angelegenheit, er füllt Plätze und Straßen mit Blasgewalt und zuweilen tatsächlich mit Absichten.

Es ist verboten, das Jazzorchester Prokopätz eine Big Band zu nennen, obwohl es eine ist. Das Verbot ist eine Arrangementfrage, die gewöhnliche Strenge jedes Bläsersatzes zertuten die Prokopätzisten in feiner freier Improvisation. Jazz macht Arbeit, mit zwanzig Musikern einen ganzen Sack voll. Die hohe Schule des freien Spiels verlangt unbedingte Meisterschaft und blindes Verständnis für die vielen Partner.

Und sie spielen richtig harten Stoff. In der schönen Tradition Hanns Eislers, der großen Spaß daran hatte, Trompeter in den Wahnsinn zu schreiben, atmen sie das zwanzigste Jahrhundert ein und sehr eigen wieder aus. Sie nehmen einen Kurt Weill und stellen ihn mit Eislers zwölf Tönen richtig. Und immer lachen sie über die eigenen Hörner. Spiel mir ein kleines Arbeiterkampflied, die Revolution ist eine ernste Sache, der freie Marsch heißt stolpern, die alten Genossen dürfen jetzt wackeln und hüpfen.

Der Taktmeister Hans Zerbe hält das Großblech zusammen und denkt sich die ganzen Späße aus. Als hätte das Vienna Art Orchester die Bolschewistische Kurkapelle / Schwarz Rot geheiratet, wird der Gedanke aus dem Korsett Big Band geschnürt und unter die Leute geworfen, angemessen laut und durchdringend. Zerbe komponiert selbst und bedient neben den Tasten das Publikum mit den Regeln der Freiheit: Strukturen aufbauen und kaputthauen.

Wer es schafft, das über zehn Jahre immer wieder neu zu praktizieren und dabei alle seine Musiker ernährt, ist ein wahrer Meister.

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