junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Donnerstag, 16. Mai 2024, Nr. 113
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 02.05.2024, Seite 10 / Feuilleton
Komische Kunst

Kann man den faxen?

Alles richtig gemacht: Das Satiremagazin Eulenspiegel wird 70
Von Hagen Bonn
imago0082682851h.jpg
Schön böse: Der Eulenspiegel

Regelmäßig lagen in meiner Kindheit eine Postkarte und ein Stift vor mir. Darüber ausgebreitet die aktuelle Ausgabe des Magazins Eulenspiegel. Meine Aufgabe bestand darin, eine Bildunterschrift zu einer Zeichnung zu finden, die sich in der Zeitschrift fand. Natürlich musste das witzig oder hintersinnig sein, es handelte sich ja um eine »Wochenzeitung für Satire und Humor«, die zum Wettbewerb um den besten Spruch aufrief. Über den Humor lachte ich gern, die Satire verstand ich mit zwölf Jahren nicht. Und gewonnen habe ich nie. Aber selbst heute gebe ich meine Bildunterschriften noch an. Online. Und warte auf den Hauptgewinn (16 Euro)! Für den zweiten und dritten Platz gibt es dann jeweils einen Euro weniger. Zu DDR-Zeiten war der Eulenspiegel bei den Erwachsenen so beliebt wie bei uns Kindern Mosaik. Opa las die Wochenpost (RIP), Oma das Magazin. Alles hatte seine Ordnung. Mit der Westinvasion 1990 kamen 99,9 Prozent aller soliden Zeitungen und Zeitschriften der DDR (ca. 1.800) unter die Räder. Aber den Eulenspiegel gibt es noch. Seit 70 Jahren!

Hervorgegangen war das Projekt aus dem 1946 mit sowjetischer Presselizenz ausgestatteten Satire­blättchen Frischer Wind. Acht Jahre später wurde das alles bunter (Vierfarbdruck) und ging mit neuem Namen an den Start, was auch daran lag, dass die sehr beliebte Satirezeitung Ulenspiegel 1950 keine neue Lizenz erhielt. Auch wenn ich zugeben muss, dass bei der Titelseite die sympathische Westkonkurrenz Titanic meist die Nase vorn hat, ist der Eulenspiegel von innen betrachtet seiner Tradition, also den kleinen Leuten, verbunden geblieben. Auch die Witze tun schön weh, wenn etwa eine Oma im Cartoon zu ihren Enkeln sagt: »Zwei Säcke Blumenerde zum Geburtstag, wie nett von euch!« Und die Enkel antworten: »Zum Zudecken, Oma! Damit du dich schon mal dran gewöhnst!«

Nicht so lustig fand Franziska van Almsick, dass sie in einer Ausgabe von 1994 schwanger auf dem Titelbild erschien. 1996 verklagte Bärbel Bohley die Zeitschrift, die es wagte, die Grande Dame der Konterrevolution von 1989 als »miese Pornomontage mit Kanzler Kohl« auf den Titel zu bringen. Alles richtig gemacht, würde ich mal sagen. Auch nicht schlecht: Das sogenannte »West-ND«, ob als Beilage oder im Heft. Eine Parodie auf die Tageszeitung Neues Deutschland, die sich an die Leser der »fünfzig neuen Bezirke der DDR (ehemals BRD)« richtete. Verkehrte Welt also und sehr amüsant. Wer will, kann sich auch den zukunftsweisenden Humor des Eulenspiegels aufs Handy senden lassen. Vor kurzem musste ich die Fahrgäste in der U-Bahn mit einem Lachanfall belästigen, als ich den Cartoon der Woche sah. »Deutsche stellen Fragen zur geplanten Einführung des digitalen Euros: ›Kann man den faxen?‹«

Eulenspiegel, überall im Handel, 4,20 Euro

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

  • Leserbrief von Andreas Kubenka aus Berlin (2. Mai 2024 um 18:13 Uhr)
    Eine gute kleine Würdigung einer traditions- und verdienstvollen Zeitschrift! Völlig daneben finde ich allerdings die Feststellung, »dass bei der Titelseite die sympathische Westkonkurrenz Titanic meist die Nase vorn hat«. Auch über Geschmacksfragen ließe sich eben doch streiten! Allerdings bringt Hagen Bonn dann selbst Beispiele, die seine These widerlegen oder zumindest relativieren, z. B. die Kohl-Bohley-Titelseite, die so geschmackssicher geschmacklos das Verhältnis dieser beiden Politiker charakterisierte, dass dies wohl der eigentliche Grund für Bohleys Klage war.

Ähnliche:

Mehr aus: Feuilleton

                                                   Heute 12 Seiten extra - Beilage zum Thema: Naher Osten