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Aus: Ausgabe vom 04.05.2024, Seite 4 / Inland
»Quadriga 2024«

Militaristische »Werbeaktion«

Mecklenburg-Vorpommern: Bundeswehr inszeniert Übung im Rostocker Hafen. Erstmals Teilnahme von Reservisten an NATO-Manöver
Von Kristian Stemmler
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Verschiedene Bundeswehr-Einheiten üben die Sicherung von kritischer Infrastruktur (Rostock, 3.5.2024)

Von der Öffentlichkeit bisher kaum wahrgenommen, probt die Bundeswehr seit knapp zwei Wochen im Rostocker Hafen den »Ernstfall«. Als Teil des NATO-Großmanövers »Steadfast Defender« üben Hunderte Reservisten des sogenannten Heimatschutzes der Bundeswehr die Absicherung »militärisch wichtiger Infrastruktur«. Am Freitag zeigten die »Heimatschützer« dann, was sie können. Als Höhepunkt der Übung stand eine Präsentation auf dem Programm: Vor 300 Gästen aus Politik, Wirtschaft, Militär und Gesellschaft – darunter Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und die unvermeidliche Marie-Agnes Strack-Zimmermann – sollten mehr als 360 Soldaten demonstrieren, wie sie die Verladung von rund 200 Kampfpanzern und anderen Fahrzeugen absichern.

Am Nachmittag sollte der Frachter mit dem Kriegsgerät Richtung Litauen ablegen, wo dieses in der Schlussphase von »Steadfast Defender« eingesetzt werden soll. Die Übung im Hafen, bei der auch das Zusammenspiel mit Polizei und Technischem Hilfswerk erprobt wurde, war ein Element der bundesweit laufenden Übung »National Guardian«. Diese gehört wiederum zur Übungsreihe »Quadriga 24«, dem deutschen Beitrag zu »Steadfast Defender«.

Solche Übungen müsse es in Zukunft immer wieder und auch in größerem Umfang geben, erklärte der Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos, André Bodemann, am Freitag gegenüber dpa. Der Generalleutnant ließ keinen Zweifel daran, gegen wen sich die aktuellen Übungen richten. Das konkrete Szenario sehe so aus, »dass es eine große Truppenzusammenziehung an der NATO-Ostflanke gegeben hat: Russland hat zu Manövern aufgerufen, die ein Potential haben, tatsächlich das NATO-Territorium zu bedrohen.« Die Allianz habe sich in diesem Übungsszenario entschieden, große Teile ihrer Truppen über die »logistische Drehscheibe Deutschland zur Abschreckung an die Ostflanke zu verlegen«.

Es sei das erste Mal, dass Reservisten der Bundeswehr an einer NATO-Übung beteiligt seien, sagte Brigadegeneral Uwe Nerger, Kommandant des Landeskommandos Mecklenburg-Vorpommern. Ihr Einsatz sei Teil der sogenannten Zeitenwende. Der General hat offenbar große Pläne: Wenn geglaubt werde, dass ein Land mit mehr als 80 Millionen Einwohnern von den 200.000 Soldaten der Bundeswehr zu verteidigen sei »und alle anderen schauen nur zu – das wird nicht funktionieren«, urteilte Nerger. Er bezeichnete die Übung in Rostock als eine »Werbung für den Dienst im Heimatschutz«.

Gegen diese »Werbung« im Seehafen protestierten Aktivisten des Rostocker Friedensbündnisses am Leuchtturm von Warnemünde. Am Ort des Geschehens selbst hatte die Versammlungsbehörde keine Demonstration zugelassen. Begründet wurde das damit, dass sich die dafür benannten Flächen im Eigentum des Hafenbetreibers befänden. Das Friedensbündnis kritisierte die Entscheidung in einem offenen Brief an Schwesig, Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Die Linke), die Rostock Port GmbH sowie die Gewerkschaft Verdi.

Die Aktivitäten der Bundeswehr lösten in der Bevölkerung »Angst vor der Kriegsgefahr« aus, heißt es in dem Schreiben. Vielfach werde kritisiert, dass Rostock in diesem Maße in das Manöver »Steadfast Defender« eingebunden sei. Das Bündnis verwies auf das »Fraport-Urteil« des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2011. Darin hatte Karlsruhe die Geltung der Versammlungsfreiheit im Flughafen Frankfurt am Main bestätigt. Auch dieser befinde sich in öffentlicher Hand, heißt es in dem Brief weiter. Den Rostocker Hafenarbeitern legte das Bündnis nahe, die »Tradition der Arbeiterbewegung« wachzuhalten und keine Waffen zu verladen. Zu einer Demonstration unter dem Motto »Keine Panzerverladung über den Rostocker Hafen!« ruft das Friedensbündnis Norddeutschland für Sonntag ab 13 Uhr auf.

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