10.04.2024 / Titel / Seite 1

Ungebremst in den Krieg

Verteidigungsminister Boris Pistorius will an die »Schuldenbremse«. Haushaltskürzungen für Rüstungsmilliarden reichen ihm nicht

David Maiwald

Für Kanonen auf Butter zu verzichten, reicht der Ampelkoalition nicht aus. Die Aufrüstungsbeträge ständig zu erhöhen könne nicht länger »alleine durch Umschichtungen« in den Haushaltsbeträgen geschehen, hatte Kriegsminister Boris Pistorius am Montag abend im ZDF-Magazin »Was nun?« erklärt. »Im Zweifel wird man auch über zusätzliche Schulden reden müssen«, griff Pistorius die sogenannte Schuldenbremse an. Schließlich seien sonst »die schönsten digitalen Bibliotheken und die schönsten Fahrradschnellwege« zu nichts nütze. Die nötigen Beträge seien »nicht einfach so aus dem Fleisch herauszuschneiden, das da ist«.

Die Äußerung zeige »einmal mehr deutlich, welche Prioritäten diese Regierung setzt«, erklärte Susanne Ferschl am Mittwoch gegenüber jW. Anstatt weiter Milliardenbeträge »in das Militär zu pumpen«, brauche es eine »Offensive zur Beseitigung von Armut, maroder Infrastruktur und den Mängeln im Bildungs- und Gesundheitswesen«, so die Gewerkschafts- und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linke-Gruppe im Bundestag. Schon jetzt gebe die Bundesregierung »so viel Geld wie noch nie« für die Bundeswehr aus, erklärte auch Linke-Politikerin Gesine Lötzsch gegenüber jW. Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger erhöhe das nicht: »Das Geld fließt direkt in die Taschen von Rheinmetall-Aktionären«, so die Linke-Bundestagsabgeordnete.

Tatsächlich ist der Düsseldorfer Konzern der Hauptprofiteur des Kriegskurses der BRD, wie sich in den Mitte März veröffentlichten Jahreszahlen des Unternehmens zeigte. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs kann sich Rheinmetall vor Aufträgen kaum retten, baut seine Produktion deutlich aus und konnte seinen Aktienkurs schon nahezu verdreifachen. Für die Bundeswehr und die Streitkräfte »unserer Verbündeten und Freunde« will die Waffenschmiede nach eigener Aussage »ein leistungsfähiger Partner« sein. Für Anleger in die Kriegswirtschaft verspricht die Zuspitzung der Weltlage in der Tat sichere Renditen. Auch die IG Metall plädierte unlängst für den »Ausbau nationaler Schlüsseltechnologien im Bereich Landsysteme«.

Dieser Kriegskurs kommt allerdings ohne soziale Demagogie nicht aus. Nachdem er im Februar von einem »mehrjährigen Moratorium bei Sozialausgaben und Subventionen« fabulierte, attackierte Finanzminister Christian Lindner (FDP) zum wiederholten Male die schon vor ihrem Inkrafttreten zur Farce gestutzte »Kindergrundsicherung«. Beim sozialpolitischen Projekt von Familienministerin Elisabeth Paus (Bündnis 90/Die Grünen) müsse »nachgearbeitet werden«, erklärte er der Augsburger Allgemeinen (Mittwochausgabe). Der Entwurf baue weder Bürokratie ab, noch »Anreize (…), dass Menschen aufgrund höherer Sozialleistungen nicht mehr arbeiten gehen«, hetzte der Finanzminister.

Wehretat und Rüstungsprofite anzuheben – wie auch immer –, ist Boris Pistorius nicht genug. Er will auch mehr BRD-Bürger unter ­Waffen sehen. Wie am Dienstag bekannt wurde, beorderte er dafür vergangene ­Woche den Personalchef seines Ressorts, Klaus von Heimendahl, in den einstweiligen Ruhestand. Wie der Spiegel berichtete, soll auf den Geschassten künftig Bundeswehr-Personalmanagerin Oda Döring folgen. Diese sei als Mitglied der »Taskforce Personal« am Versuch beteiligt gewesen, die Truppe in den kommenden sieben Jahren auf 203.000 Soldaten zu erhöhen, so der Spiegel. Bislang aber »ohne greifbaren Erfolg«. Es bleibt zu hoffen, dass sie diese Quote beibehält.

https://www.jungewelt.de/artikel/473013.fortschrittskoalition-ungebremst-in-den-krieg.html