12.03.2024 / Inland / Seite 4

Bürgerliches Bekenntnis

Union verabschiedet EU-Wahlprogramm mit Fokus auf Aufrüstung. FDP läutet Wahlkampagne ein

Karim Natour

Bereits vor dem »Nein« von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur Lieferung von ­TAURUS-Marschflugkörpern an die Ukraine Ende Februar nutzte die Union in regelmäßigen Abständen die »Zurückhaltung« des Kanzlers, um sich bei dem Thema Aufrüstung zu profilieren und die Regierung vor sich herzutreiben. Es war die Ampel unter Scholz, die den Mentalitätswechsel in Deutschland hin zur »Kriegstüchtigkeit« offiziell einläutete. Dennoch sind es neben den Grünen und vereinzelten FDP-Politikern vor allem Abgeordnete der Union, die mit am lautesten nach noch mehr Kriegsmaterial für die BRD und Waffenexporten für die Ukraine schreien. Die Union will am Donnerstag im Bundestag erneut einen Antrag zur Lieferung von TAURUS an die Ukraine zur Abstimmung stellen, nachdem ein ähnlicher Mitte Februar gescheitert war.

Der Wettkampf darum, wer sich am energischsten auf diesem Feld hervortun kann, schlägt sich auch im gemeinsamen Programm von CDU und CSU für die Wahlen zum EU-Parlament am 9. Juni nieder, das die Parteispitzen laut dpa am Montag in Berlin einstimmig verabschiedet haben. In dem 27seitigen Papier mit dem Titel »Mit Sicherheit Europa – Für ein Europa, das schützt und nützt« wird nicht weniger als die massive Aufrüstung der Europäischen Union forciert: »Wir wollen militärische Ausrüstung wie Kampfflugzeuge, Kampfpanzer, Drohnen und Flugzeugträger gemeinsam mit europäischen Partnern entwickeln und beschaffen«, heißt es in dem Programm. Daneben fordern die Unionsparteien einen Verteidigungskommissar auf EU-Ebene. An der gemeinsamen Präsidiumssitzung nahmen neben den Parteichefs Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU) auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Vorsitzende der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), teil.

Die militärischen Bestrebungen werden demnach wenig überraschend zur Notwendigkeit erklärt, da für »Europas Sicherheit und Wehrhaftigkeit« seit Beginn des Kriegs in der Ukraine »deutlich mehr getan werden« müsse. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz bemühte sich nach dem Treffen, die geplante Aufrüstung – wohl auch mit Blick auf aktuelle Meinungsumfragen zu Waffenlieferungen an die Ukraine – etwas nuancierter darzustellen und versicherte, die Union wolle mit dem Programm eine »klare Botschaft« für »Freiheit, Sicherheit, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit« senden. Auch die »Bewältigung des Klimawandels« bliebe ein wichtiges Thema, jene sei jedoch »nur mit einer starken Wirtschaft, mit einer wettbewerbsfähigen Industrie« möglich. CSU-Chef Markus Söder nannte das Programm nach der Verabschiedung »Union pur« und erklärte, die Schwesterparteien kämpften bei der EU-Wahl auch gegen ein »linkes Europa«, das man verhindern wolle. Statt dessen strebe er ein »bürgerlich-konservatives Europa« an und keine »Brüsseler Ampel«, so der bayerische Ministerpräsident. Die Union müsse ein klares Angebot an »die Mitte« machen, ebenso »Mitte-bürgerlich, konservativ, rechts«. Als Kernpunkte stellte er das Bekenntnis zur Zukunft des Verbrennermotors und der Kernkraft sowie eine restriktivere Migrationspolitik heraus.

Die FDP, die sich mit der Aufstellung von Marie-Agnes Strack-Zimmermann als Spitzenkandidatin zu den EU-Wahlen bereits offen als Partei für kriegerische Eskalation in Stellung gebracht hatte, läutete am Montag die offizielle Wahlkampagne ein. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai stellte in Berlin die schwarz-weißen Wahlplakate vor, auf denen Strack-Zimmermann in Anlehnung an die Kampfflugzeuge als »Eurofighterin« bezeichnet wird. Auf einem zweiten Plakat mit ihrem Konterfei ist der geistreiche Satz zu lesen: »Die drei wichtigsten Themen: Wirtschaft«. Die wichtigsten Forderungen waren laut FDP-Parteichef Christian Lindner die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und der Abbau von Bürokratie. Der Finanzminister äußerte, analog zur Union, es herrsche Krieg in Europa, weshalb »unsere Wehrhaftigkeit« gestärkt werden müsse. Strack-Zimmermann sagte, sie wolle für die »Sicherheit und den Schutz der Freiheit« kämpfen. Beide seien von außen sowie von »Rechts- und Linksextremisten im Innern« bedroht.

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