junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Donnerstag, 2. Mai 2024, Nr. 102
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 19.04.2024, Seite 7 / Ausland
Israel und Iran

Schlag und Gegenschlag

Israel macht vage Angaben zu Antwort auf iranischen Großangriff. Westliche Verbündete sanktionieren Teheran
Von Knut Mellenthin
7.JPG
Teheran verspricht Tel Aviv einen zehnmal stärkeren Angriff, sollte Israel weiter eskalieren (15.4.2024)

Das Warten geht weiter. Am Dienstag meldeten israelische Medien, das Kriegskabinett und die Streitkräfte ihres Landes hätten über die Art eines Militärschlags gegen den Iran und seine regionalen Verbündeten entschieden; nur der Zeitpunkt sei offengelassen worden. Am Mittwoch wurde unter Berufung auf einen nicht namentlich genannten, angeblich hochrangigen US-amerikanischen »Offiziellen« das Gerücht oder die Vermutung verbreitet, dass mit einem israelischen Angriff erst nach dem Pessachfest zu rechnen sei. Das beginnt in diesem Jahr am Montag abend und endet am Abend des 30. April.

Israel und Iran scheinen sich in einer Eskalationslogik von Schlag und Gegenschlag zu befinden. Zuerst hatte die israelische Luftwaffe am 1. April bei einem gezielten, gründlich geplanten Angriff auf das Gelände der iranischen Botschaft in Damaskus sieben Offiziere des Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) getötet. Unter ihnen waren der Kommandeur für die Einsätze der Truppe in Syrien und im Libanon und sein Stellvertreter. Quantitativ und qualitativ war es der erfolgreichste Schlag, der den israelischen Streitkräften bisher gegen den Iran gelungen ist. Bisher hatte Teheran in keinem einzigen Fall auf die Hunderte von früheren israelischen Angriffen gegen seine Militärberater und Verbündeten in der Region reagiert. Diesmal warteten die iranischen Streitkräfte zwölf Tage, bevor sie in der Nacht vom Sonnabend auf Sonntag vergangener Woche mit etwa 350 Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern zurückschlugen. Gemeinsam mit den Angriffen verbündeter Milizen im Libanon, Syrien, Jemen und Irak waren es laut dem israelischen Verteidigungsministerium mehr als 500.

Sprecher der israelischen Streitkräfte behaupten, 99 Prozent der Geschosse seien beim Anflug, viele außerhalb des eigenen Luftraums, zerstört worden, woran sich auch Kampfflugzeuge der USA, Großbritanniens, Frankreich und Jordaniens beteiligt hätten. Rechnerisch steht das offensichtlich in Widerspruch zu einer anderen israelischen Angabe, dass nämlich mehr als die Hälfte der iranischen Drohnen und Raketen ihr Ziel verfehlt oder aufgrund technischer Defekte während des Anflugs abgestürzt sei.

Auf jeden Fall gab es nach israelischer Darstellung bei dem Großangriff nur ein einziges Opfer, ein schwerverletztes Mädchen in einem Beduinendorf, und geringfügige Beschädigungen auf dem Luftwaffenstützpunkt Nevatim am Nordrand der Negevwüste. Iranische Militärs und Politiker behaupten, dass es insgesamt neun Treffer gegeben habe, dass Israel »eine strategische Niederlage« erlitten und dass sich das Kräfteverhältnis zugunsten Irans verschoben habe. Zugleich drohen sie, dass der nächste Angriff zehnmal so stark wie der vom Wochenende geführt werde, falls Israel jetzt wirklich »zurückschlagen« sollte.

Ob das wirklich in großem Umfang geschehen wird, schien am Donnerstag trotz aller Bekundungen fester Entschlossenheit immer noch ungewiss. Nach einer von der Hebräischen Universität Jerusalem durchgeführten repräsentativen Meinungsumfrage würden 52 Prozent der Israelis es bevorzugen, auf eine militärische »Antwort« zu verzichten, um diesen speziellen Konflikt nicht noch weiter anzuheizen. Der Anteil der Ablehnung liegt sogar bei 74 Prozent, falls ein israelischer »Gegenschlag« dazu führen würde, das »Sicherheitsbündnis« mit den USA, Großbritannien und Frankreich, zu dem gegenwärtig mit mehr oder weniger Grund auch Jordanien und Saudi-Arabien gezählt werden – beide Staaten waren angeblich an der Abwehr des iranischen Großangriffs beteiligt –, zu gefährden.

Westliche Staaten versuchen, der israelischen Regierung den Verzicht auf einen militärischen »Gegenschlag« oder wenigstens eine »Beschränkung« von dessen Umfang mit verschärften Strafmaßnahmen gegen Teheran schmackhaft zu machen. Die USA verhängten am Donnerstag neue Sanktionen gegen 16 Personen und zwei Unternehmen, die angeblich an der Herstellung und Erprobung iranischer Drohnen beteiligt sind, sowie gegen Irans Stahl- und Autoproduktion.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

Ähnliche:

  • Iranische Drohne während des Starts am Sonnabend an einem unbeka...
    15.04.2024

    Nahost vor Flächenbrand

    Iran greift Israel mit Drohnen und Raketen an. Keine größeren Schäden. Sorge vor Eskalation im Nahen Osten
  • Trauernde versammeln sich am Freitag um einen Lastwagen mit den ...
    06.04.2024

    Israels gefährlichster Gegner

    Krieg gegen libanesische Hisbollah: Nach dem Angriff auf iranisches Konsulat in Syrien droht nicht nur Teheran mit Vergeltung
  • Trauer um Angehörige: Drei Mädchen und ihre Großmutter wurden du...
    10.11.2023

    Eskalation beabsichtigt

    Krieg in Nahost: Schlagabtausch zwischen USA und Irans Verbündeten in Syrien und Irak. Israel plant Libanon-Offensive