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Aus: Ausgabe vom 08.05.2024, Seite 10 / Feuilleton

Klingenberg, Böhme

Von Jegor Jublimov
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La dolce vita: Marita Böhme 1966 in Ostberlin

Dass der 2022 verstorbene Reinhard Schwabenitzky (»Ilona und Kurti«, 1991, »Kaisermühlen-Blues«, 1992/93) einer der erfolgreichsten österreichischen Film- und Fernsehregisseure werden konnte, hat auch mit der Defa zu tun. Denn der damals 14jährige war dabei, als sein Vater Gerhard Klingenberg 1961 den Film um das fröhliche FDJ-Leben »Guten Tag, lieber Tag« drehte, und fing Feuer. Klingenberg, der eher zwiespältig an seine Zeit in der DDR zurückdenkt, erzählt es in seinen Erinnerungen.

Der Sohn einer Arbeiterfamilie aus Wien wird dort gleich nach dem Krieg Schauspielschüler und kann als Komparse im Burgtheater für Albin Skoda in »Dantons Tod« einspringen und höchste Anerkennung erringen. Doch er will mehr, geht nach Berlin, wo es ihn zu Bert Brecht ans Berliner Ensemble zieht. Im Osten der Stadt arbeitet Klingenberg an Theatern, spielt erste kleine Filmrollen in Defa-Kurzfilmen und im DFF (1958 die Titelrolle in »Lumpazivagabundus«), wo er zunehmend auch selbst Regie führt. Mit »Was wäre, wenn …?« von Hedda Zinner (die selbst nicht ganz an die Substanz ihres Stückes um eine Grenzziehung zwischen Ost und West glaubte) inszeniert er 1960 die erste in der DDR angesiedelte Satire der Defa. Die Umstände des Mauerbaus im August 1961 lassen ihn an der Republik zweifeln, für die er bis dato gern wirkte.

Bald kann er im Westen an ersten Häusern inszenieren, wurde auch Burgtheater-Intendant in Wien und gleiches am Zürcher Schauspielhaus und Renaissance-Theater im zusammengeklebten Berlin. Wichtige Arbeiten lieferte er fürs Fernsehen, so 1964 die Uraufführung von Heinar Kipphardts Stück »In der Sache J. Robert Oppenheimer« für den HR oder Arthur Millers »Der Tod eines Handlungsreisenden« fürs ZDF, in dem er Publikumsliebling Heinz Rühmann 1968 ein neues Fach erschloss. Er hat das deutschsprachige Theater und das Fernsehen (mehr noch als den Film) auf besondere Weise beeinflusst und wird am Sonnabend 95 Jahre alt.

Schon am Dienstag hatte die zehn Jahre jüngere Marita Böhme Geburtstag, die ursprünglich ein Staatsexamen als Kindergärtnerin abgelegt hatte. Seit ihrem Debüt an Manfred Krugs Seite in »Auf der Sonnenseite« (1961) zählte die in Berlin ausgebildete Dresdnerin für mehr als ein Jahrzehnt zu den Topstars bei Film und Fernsehen der DDR und hat danach immer wieder in bemerkenswerten Episodenrollen geglänzt, sei es als Beethovens »unsterbliche Geliebte« (1976) oder als Operndiva Faustina Bordoni in »Sachsens Glanz und Preußens Gloria« (1985). Nachdem sie von 1996 bis 2005 als Partnerin von Jaecki Schwarz eine Opernregisseurin in der Reihe »Polizeiruf 110« (in der sie auch schon in den 80er Jahren auftrat) gespielt hatte, zog sie sich ins Privatleben zurück. Das ist ihr auch zu gönnen.

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